Macht Vakuum
könne. Bergsten ist der festen Überzeugung, dass eine G2 der Wichtigkeit von Institutionen, die für die Bedürfnisse und Ziele anderer Länder stehen oder als Kreditgeber letzter Instanz agieren, keinen Abbruch täte. 1 Die USA und China sind die führende etablierte Macht und das führende Schwellenland. Sie sind die beiden größten Volkswirtschaften der Welt und die beiden größten Handelsnationen. China ist der größte Gläubigerstaat der Welt, und die USA sind zu ihrem größten Schuldnerstaat geworden. Die Vereinigten Staaten und China sind auch die größten Umweltverschmutzer. Es gibt keinen Weg, die Weltwirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen, den Welthandelsgesprächen wieder Leben einzuhauchen, den Klimawandel zu bekämpfen und andere transnationale Probleme zu lösen, wenn es keine koordinierte und auf Lastenteilung angelegte Führung der USA und Chinas gibt.
Der Historiker Niall Ferguson und der Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick prägten den Ausdruck »Chimerica«, um die offenbar symbiotische wirtschaftliche Beziehung zu bezeichnen, die sich zwischen den beiden Ländern gebildet hatte und der ganzen Weltwirtschaft Auftrieb gab. 2 Sie stellten fest, dass durch die gegenseitige Abhängigkeit Chinas und der Vereinigten Staaten ein einziger Wirtschaftsmotor entstanden war, der sich auf 13 Prozent der Erdoberfläche erstreckte, ein Viertel der Weltbevölkerung und ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung umfasste und zwischen 1998 und 2007 40 Prozent des weltweiten Wachstums bestritt. [10]
Eine amerikanisch-chinesische Partnerschaft muss nicht institutionalisiert werden. Der frühere amerikanische Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski schlug eine »informelle« G2 vor, eine »umfassende Partnerschaft«, die auf der komplexen Interdependenz der beiden Länder beruhen würde, und eine koordinierte Führung bei Sicherheitsproblemen, die von den Atomprogrammen des Irans und Nordkoreas bis zu den Beziehungen zwischen Indern und Pakistanern oder zwischen Israelis und Palästinensern reichen würde. Brzezinski meint, seine Vision einer G2 sei eine »Aufgabe, die der beiden Länder würdig ist, die ein höchst außergewöhnliches Potenzial haben, unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten.« 3
Chinas Führung hat klargemacht, dass das Land für eine solche Rolle noch nicht bereit ist und in näherer Zukunft auch nicht bereit sein wird. 4 Was aber würde es Washington und Peking kosten, eine solche Post-G-Null-Partnerschaft zu bilden, wenn sich dies in den kommenden Jahren ändern sollte? Zunächst einmal müsste China zu dem Schluss kommen, dass es sich leisten kann, sich wie ein entwickeltes Land zu verhalten. Dabei geht es nicht nur darum, dass es die größte Volkswirtschaft der Welt wird. Chinas Führung und seine Bevölkerung müssten die Zusammenarbeit mit Washington als einen kosteneffektiven Weg zur Stärkung eines globalen Systems betrachten, das zu Chinas Vorteil funktioniert. Es würde bedeuten, eine breite, prosperierende und selbstbewusste Mittelschicht aufzubauen, die in der chinesischen Politik eine stärkere Kraft werden kann. China müsste zu einem wirklichen Stakeholder werden, und das nicht, weil das in Washington jemand gut findet, sondern weil eine kritische Masse hoher chinesischer Regierungsvertreter zu der Einsicht kommt, dass eine G2 im chinesischen Interesse liegt. Eine solche Entwicklung würde nicht bedeuten, dass China auf Amerika zugehen müsste, sondern würde einem gemeinsamen Interesse entspringen.
Außerdem muss China eine Wirtschaftselite entwickeln, die Wert auf Rechtsstaatlichkeit und den Schutz geistigen Eigentums legt – und zwar gleichermaßen bei Chinesen wie bei ausländischen Staatsbürgern, Unternehmen und Investoren. Nur dann könnten Chinas herrschende Institutionen im eigenen Land eine Legitimität erlangen, die mehr wäre als die bloße Herrschaft der Partei über Polizei und Militär. Auch diese Veränderung darf sich nicht auf äußeren Druck vollziehen, sondern weildie chinesischen Regierungsvertreter zu der Einsicht kommen, dass sie der langfristigen Stärke Chinas dient. Legitimität im eigenen Land ist für eine internationale Führungsrolle unerlässlich.
Auch wird China in seiner Volkswirtschaft ein nachhaltiges Gleichgewicht herstellen müssen, bei dem sich sein Wachstum nicht mehr wie heute primär aus seiner starken Exportabhängigkeit speist, sondern aus stärkerem Verbrauch im eigenen Land. Dabei darf es sich jedoch nicht
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