Macht Vakuum

wahrscheinlich einer weiteren Katastrophe oder wenigstens der glaubwürdigen Drohung, dass eine Katastrophe unmittelbar bevorsteht, damit eine neue internationale Ordnung geboren wird. Aristoteles vertrat die Ansicht, dass die Materie immer bestrebt ist, ein Vakuum zu füllen, und in der internationalen Politik werden diejenigen, die die Mittel haben, um Veränderungen herbeizuführen, letztlich aus Eigeninteresse die Kosten, Opfer und Risiken auf sich nehmen, die notwendig sind, um das G-Null-Vakuum mit etwas anderem zu füllen.
    Staaten nehmen Kosten und Risiken erst dann auf sich, wenn sie glauben, dass sie keine andere Wahl haben – und wenn sie überzeugt davon sind, dass kein anderer Staat es für sie tut. Um ihre politische Position im eigenen Land zu schützen, werden die Führer etablierter Mächte handeln, um zu verhindern, dass die Sicherheit, der Reichtum und die Privilegien ihres Landes nicht durch internationale Probleme gefährdet werden. Auch die politischen Eliten der Schwellenländer werden zuverhindern suchen, dass die weitere Entwicklung ihrer Länder durch schwere Krisen aufgehalten wird. Wenn die G-Null Chaos verursacht, müssen die Entscheidungsträger in beiden Kategorien von Ländern neue Systeme, Bündnisse und globale Institutionen aufbauen. Sie werden zusammenarbeiten oder getrennt handeln. Sie werden sich an bestehende internationale Institutionen anpassen oder neue aufbauen. Auf jeden Fall ist die G-Null nicht die neue Weltordnung. Sie ist eine Übergangsperiode, die durch etwas anderes ersetzt wird.
    Wir können nicht wissen, ob die G-Null fünf oder 15 Jahre dauern wird, aber wir wissen, dass sie wie der Brutkasten für eine Katastrophe wirkt, solange sie existiert. Wir wissen auch nicht, wie diese Katastrophe aussehen wird. Vielleicht kommt es zu einem Zusammenbruch der europäischen Finanzmärkte, der eine viel größere Bankenkrise auslöst als die des Jahres 2008, und die zerstrittenen Politiker versäumen es, schnell genug zu handeln, um die negativen Auswirkungen zu begrenzen. Oder eine Grippe-Epidemie in Asien breitet sich auf der ganzen Erde aus, weil die Regierungen der zunächst betroffenen Staaten auf Geheimhaltung setzen, um sich selbst zu schützen, und nicht auf die Transparenz, die für eine wirksame internationale Reaktion notwendig wäre. Oder die Implosion Nordkoreas löst einen gewaltigen Flüchtlingsstrom aus, der sich über die Grenzen des Landes ergießt, feindliche Nachbarn in höchste Alarmbereitschaft versetzt und eine Debatte auslöst, wer für den Wiederaufbau des zusammengebrochenen Landes zahlen soll, während gleichzeitig ein Wettlauf um die Sicherung seines Atomwaffenmaterials einsetzt. Oder ein spektakulärer Angriff von Terroristen in Indien führt zu einem Krieg mit dem nuklear bewaffneten Pakistan. Oder Wetterveränderungen, die mit der Klimaerwärmung in Zusammenhang stehen, verursachen schwere Dürren an einigen Orten und Überschwemmungen an anderen. Dies löst eine Lebensmittelversorgungskrise aus, die im Nahen Osten, in Asien und in Afrika zum Sturz zahlreicher Regierungen führt. Oder irgendeine Kombination dieser Faktoren treibt die Energiekosten in ungeahnte Höhen, und die führenden Energieimporteure der Welt werden ins Chaos gestürzt.
    Dieses Kapitel handelt jedoch nicht von den Krisen, die die Staatenwelt zum gemeinsamen Handeln zwingen könnten. Es handelt davon, was nach der G-Null kommt und wer die Führung übernehmen wird. Um vorauszusagen, wie die neue internationale Ordnung aussehenwird, müssen wir insbesondere zwei Fragen beantworten: Erstens: Werden die Vereinigten Staaten und China als Partner oder als Feinde handeln? Keine politische und keine geschäftliche Beziehung ist für Frieden und Wohlstand im 21. Jahrhundert wichtiger. Zweitens: Werden andere Länder die Stärke besitzen, in der internationalen Ordnung eine wichtige, unabhängige Rolle zu spielen?
    Einige der Chancen und Probleme, von denen die amerikanisch-chinesischen Beziehungen in Zukunft geprägt sein werden, hängen von der inneren Entwicklung beider Länder ab. Eine Konfrontation wird wahrscheinlicher, wenn entweder China oder die USA oder beide Länder einen schweren wirtschaftlichen Rückschlag erleiden und ihre Führer ausländische Sündenböcke brauchen. In China hat die Führung die wirklich komplizierte Aufgabe, Reformen durchzuführen, die die Wirtschaft auf Hochtouren halten, während sie gleichzeitig mit den Bedrohungen fertig werden muss, die all