Macht Vakuum

diese Veränderungen für die innere Ordnung des Landes bedeuten. Wenn der Parteienstreit in Washington weiterhin die amerikanische Politik vergiftet und den Gesetzgeber daran hindert, die fiskalische Gesundheit des Landes wiederherzustellen, könnte die amerikanische Empörung über das Ungleichgewicht in den amerikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen einen gefährlichen Höhepunkt erreichen. Im Jahr 2012 wird der Generationswechsel in der chinesischen Führung durch die Wahl eines neuen Präsidenten und des neuen Politbüros eingeleitet. Im November desselben Jahres finden in den USA Präsidentschafts- und Kongresswahlen statt. All diese neuen Abgeordneten und Entscheidungsträger werden die Beziehung zwischen den beiden Ländern positiv oder negativ verändern.
    Weitere Faktoren werden durch die direkte Interaktion zwischen den beiden Ländern bestimmt. Wenn amerikanische Unternehmen auch weiterhin hohe Gewinne in China machen, haben sie ein Interesse an einer erfolgreichen Entwicklung Chinas und an stabilen amerikanisch-chinesischen Beziehungen. Sie hätten dann gute Gründe, im Weißen Haus und im Kongress für die Vermeidung unnötiger Konfrontationen Lobbyarbeit zu machen. Wenn dagegen chinesische Unternehmen ihren wachsenden Einfluss in der chinesischen Bürokratie nutzen, um neue Regeln und Vorschriften durchzusetzen, die den Wettbewerb zu ihren Gunsten manipulieren, werden die amerikanischen Unternehmendie Regierungen beider Länder wahrscheinlich in einen aggressiven wirtschaftlichen Wettbewerb hineintreiben. Wenn China eine weitere Aufwertung seiner Währung gegenüber dem Dollar zulässt, wird dies vielleicht zu einer gesunden Rebalancierung der amerikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen führen, und in Washington würde der Druck sinken, Gesetze zur Bestrafung der chinesischen Wirtschaftspolitik zu erlassen. Ein großer Cyberangriff der einen Seite gegen die andere, oder vielleicht sogar nur der Anschein eines solchen, könnte dagegen eine verantwortungslose politische Reaktion auslösen. Wenn es zu einem scharfen Anstieg der Ölpreise käme, hätten amerikanische und chinesische Politiker wiederum ein starkes gemeinsames Interesse, die negativen Auswirkungen in Grenzen zu halten. Dagegen könnte ein Putsch in Nordkorea oder ein Streit über den Iran eine Sicherheitskrise auslösen, bei der sich die beiden Staaten in verschiedenen Lagern wiederfinden.
    Ein G1-Szenario, in dem die Vereinigten Staaten die Weltordnung mit einem auch nur annähernd vergleichbaren Übergewicht wie nach dem Zweiten Weltkrieg dominieren, ist extrem unwahrscheinlich. In diesem Fall müsste China in einem Chaos versinken, das in den Vereinigten Staaten zu spüren wäre. Instabilität in China würde an der Wall Street Kopfschmerzen verursachen, und weil die chinesische Nachfrage für die Weltwirtschaft so wichtig ist, wäre ein Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft auf der ganzen Welt zu spüren. Angesichts der Verbindungen zwischen der europäischen und der amerikanischen Volkswirtschaft und der Interdependenzen, die es in der Weltwirtschaft nach wie vor gibt, wäre es für Amerika auch dann schwierig, stark zu bleiben, wenn Europa schwach wäre. Die Kombination von Bedingungen, die für eine Wiederkehr von 1945 nötig wären, ist mehr, als die amerikanische Volkswirtschaft heute bewältigen könnte. Das bringt uns zu der zweiten Frage, die aller Wahrscheinlichkeit nach die Gestalt der Post-G-Null-Welt bestimmen wird: Wie stark werden die anderen Staaten sein? Wird die globale Führung unter mehreren etablierten Mächten und Schwellenländern breiter aufgeteilt? Können Drehpunktstaaten auch weiterhin mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten, oder werden sich viele von ihnen mehr wie Satelliten verhalten?
    Wenn die Volkswirtschaften im Zentrum und an der Peripherie der Europäischen Union ihre Politik gut aufeinander abstimmen und die Eurozone wieder stabilisieren können, wird die EU auch weiterhin eine Macht bleiben, mit der man rechnen muss. Wenn es Japan gelingt, wieder ein robustes Wirtschaftswachstum zu erzeugen und ein politisches System zu etablieren, das langfristig das Vertrauen seiner Bevölkerung genießt, kann es wieder eine wichtige Weltmacht werden. Wenn Indien seine Wirtschaft weiter liberalisiert, eine Explosion der Lebensmittelpreise vermeidet und die wachsende Landflucht gut bewältigt, kann es eine viel bedeutendere internationale Rolle spielen. Wenn die Türkei eine zerstörerische interne