Machtkampf
einzige Deutung: Der Verfasser wusste alles über ihn. Es gab also gar keine andere Wahl, als die geforderte Summe von einer halben Million Dollar zu bezahlen. Aber wer gab ihm die Garantie, dass dies nicht erst der Anfang war? Vielleicht folgten in einem halben Jahr weitere Erpresserbriefe. Er würde ab jetzt stets in Angst und Schrecken leben. Denn eine vertragliche Vereinbarung, dass damit die Sache aus der Welt geschafft war, konnte er dem Unbekannten ganz sicher nicht abringen. Ganz abgesehen davon, dass der Erpresser anonym bleiben wollte, wäre eine Abmachung ohnehin wertlos und eine Klage zwecklos. Denn diese würde natürlich voraussetzen, dass er gestehen müsste, erpresst worden zu sein. Dann aber wäre es notwendig, die Hintergründe offenzulegen.
Es war ein verdammter Teufelskreis, in den er geraten war. Bisher hatte er bei allem, was er wollte, eine Lösung gefunden und, wenn es sein musste, mit allen Mitteln. Und plötzlich drehte sich der Wind.
Der Einzige, der über seine Gepflogenheiten genau Bescheid wusste, war Hartmann gewesen. Den aber gab es nicht mehr. Auch dass die Polizei keinerlei Zweifel an dessen Selbstmord hatte, erwies sich in diesen turbulenten Zeiten als vorteilhaft. Zwar hatten dieser Häberle und sein ehrgeiziger Assistent in den Tagen danach für einigen Wirbel gesorgt, aber Konkretes war ihnen wohl nicht zu Ohren gekommen. Sonst hätten sie nicht so schnell klein beigegeben, dachte Mompach. Aber was ging ihn dies auch alles an? Jetzt hatte er ein ganz anderes Problem an der Backe. Eines, das er lösen wollte, ohne das Geld zu verlieren. Dass er es trotzdem von seinem geheimen Konto bei der Bangkok Bank abheben würde, war eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Weil er in seinem Appartement keinen Festnetzanschluss besaß, ging er in den großzügig gestalteten Eingangsbereich der Anlage hinab. Dort gab es, in einer Nische installiert, eine öffentliche Sprechstelle. Mompach wusste von seinen früheren Besuchen her noch genau, wie der Telefonautomat zu bedienen war, lehnte sich an die Wand und tippte die Durchwahlnummer zu seinem persönlichen Bankberater ein, der erfreulicherweise der deutschen Sprache mächtig war.
Als sich der Mann meldete, sah sich Mompach noch einmal vorsichtig um. Niemand war in Sichtweite, niemand konnte hören, was er sagte. Er musste einige routinemäßige Fragen zu seiner Identität beantworten, Codewort und seine Kontonummer nennen und bat dann mit leiser Stimme um die Barauszahlung von 500 000 Dollar in 50-Dollar-Scheinen. Dabei täuschte er die ruhige Stimme eines routinierten Geschäftsmannes vor, der es gewohnt war, mit größeren Summen umzugehen, und erklärte, dass er sich in den nächsten Stunden oder Tagen melden werde, um die Summe abzuholen.
»Sie wollen das in bar, in cash?«, vergewisserte sich der Banker.
Mompach gab sich weltgewandt: »Ja, cash. Das muss natürlich unter uns bleiben«, sagte er ruhig und überlegte, ob diese Abhebung eine ähnlich bürokratische Prozedur nach sich ziehen würde wie in Deutschland, wo schon ab vergleichsweise lächerlichen Beträgen die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes verschiedene Maßnahmen auslösten. Aber immerhin kam er nicht mit einem Koffer voller Geld daher, sondern wollte es ordnungsgemäß von seinem eigenen Konto abheben.
»Noch eine wichtige Bitte«, erklärte er, nachdem der Mann am anderen Ende der Leitung die Auszahlung bestätigt hatte, »ist es zu viel verlangt, die Nummern der Geldscheine für mich zu registrieren?«
»Kein Problem«, kam die Antwort zurück. »Wir legen Ihnen die Auflistung bei.«
Mompach war zufrieden. Egal, was auch geschehen würde, er konnte jedenfalls später anhand der Nummern belegen, dass es sich bei den Scheinen um sein Geld handelte.
Er verließ die Nische, stellte noch einmal beruhigt fest, dass niemand in der Nähe gewesen war, und stieg wieder zu seinem Appartement hinauf. Dort ließ er sich in einen Sessel fallen und versuchte, gegen das Wechselbad der Gefühle und das Chaos seiner Gedanken anzukämpfen.
Die Idee mit dem Notieren der Geldscheinnummern war ihm erst vor einigen Stunden gekommen. Doch jetzt, bei genauerem Nachdenken, erschien ihm diese Maßnahme plötzlich nicht mehr logisch. Denn falls sein Versuch, dem Unbekannten eine Falle zu stellen, danebenging und die Übergabe des Geldes nicht zu vermeiden war, könnte nur die Polizei anhand der Nummern danach fahnden. Aber allein schon der Gedanke, die Behörden einzuschalten, jagte ihm einen
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