Machtkampf
Poolbar.
Mompach kletterte aus dem Wasser, schlüpfte in seine Badeschlappen und ging gemächlich zu seinem Liegestuhl zurück. Die Stofftasche mit seinem Buch lag unberührt obenauf. Die leeren Liegestühle des Touristenpaars aus Stuttgart waren mit Büchern und einem T-Shirt als reserviert gekennzeichnet.
Mompach stellte fest, dass er vergessen hatte, ein Handtuch aus dem Zimmer mitzunehmen, um sich abtrocknen zu können. Doch er wusste sich zu helfen: Er zog eines der beiden Handtücher hervor, die der junge Hotelangestellte über die Liegematratze gebreitet hatte. Als er das Tuch über seinen Rücken werfen wollte, rutschte etwas zwischen seinen nackten Waden auf den Rasen.
Mompach hielt inne und sah zu Boden. Er ließ das Handtuch auf die Liege zurückfallen. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte er sich, als habe ihn ein Stromstoß getroffen. Vor ihm, zwischen seinen Füßen, lag ein weißes Kuvert, auf das mit schwarzem dickem Filzstift und in krakeligen Buchstaben sein Name geschrieben war.
Er drehte sich instinktiv nach allen Seiten um, doch soweit er sehen konnte, war da niemand, der ihn beobachtete. Er hob das zugeklebte Kuvert vorsichtig auf und ließ sich gleich auf die Liege sinken. Äußerlich gab es nichts, das auf den Absender hindeutete.
Mompach fand im Falz eine kleine Öffnung, an der er mit Zeigefinger und Daumen das Kuvert aufreißen konnte. Der Umschlag zerriss und gab ein zusammengefaltetes Blatt frei, das mit verschiedenen Computerschriften bedruckt war. Mompach vergewisserte sich nochmals, dass tatsächlich niemand da war, der mitlesen konnte, was da geschrieben stand: Gut gemacht. Willkommen im Hyatt Regency Resort. Heute Abend: 21 Uhr Papa John .
Sein Puls raste wieder. Papa John . Er faltete zitternd und wie in Trance das Blatt wieder zusammen und steckte es mit dem zerrissenen Kuvert in die Stofftasche.
Wieso Papa John? Es gab nicht viele Menschen, die wussten, was damit gemeint war.
Mompach spürte, wie es ihm heiß wurde. Er wollte jetzt allein sein. Nachdenken. Panik vermeiden. Er legte sich nass auf die Matratze, spürte das zusammengeknüllte Handtuch unter seinem Rücken und schloss die Augen. Alles schien sich plötzlich im Kreis zu drehen. Doch kaum hatte er sich in seine Gedanken vertieft, hörte er Schritte, die sich auf dem Sandweg näherten. Mompach öffnete die Augen und sah einen Schatten vor sich. Eine Person. Ein Mann. Panik.
Wieder ein Schock. Doch sein vor Entsetzen verzerrtes Gesicht wandelte sich zu einem gequälten Lächeln. Es war Udo, der vor ihm stand. »Lena und ich dachten, wir könnten unser Gespräch heute Abend fortsetzen, wenn Sie Lust haben und nichts Besseres vorhaben«, lächelte Udo, der aus Mompachs Perspektive vor dem Gegenlicht des hellblauen Himmels übergroß erschien.
Mompach setzte sich auf und wusste mit diesem Vorschlag in dieser Situation nichts anzufangen. »Gerne, ja«, presste er hervor. »Das heißt, nein. Ich hab heut schon was anderes vor.« Er verengte die Augenbrauen. »Das geht heute nicht. Leider.«
»Schade«, meinte Udo und ging einen Schritt zurück, »aber wir sind ja noch ein paar Tage hier. Wir wollten Ihnen nämlich mal ein gutes Lokal mit deutscher Küche zeigen.«
Mompach erstarrte in der Bewegung. Deutsche Küche? »Ach ja?«, war alles, was er seiner trockenen Kehle entlocken konnte. Sie war wie zugeschnürt.
»Ja, ein Berliner, nicht weit von hier«, sagte Udo und fügte im Weggehen hinzu: »Er nennt sich Papa John. Sie haben sicher noch nie etwas von ihm gehört.«
Mompach spürte, wie der Schock sich seines ganzen Körpers bemächtigte. Er ließ seinen Oberkörper sinken und blieb wie ohnmächtig liegen.
19
Franziska Kugler drückte ihrem Mann einen Kuss auf die Wange und streichelte ihm über das schüttere Haar. »Denk immer daran, Dieter: Der Herr ist mit uns.« Er war in der vergangenen Nacht wieder ruhe- und rastlos umhergefahren, bis nach Dillingen an der Donau und noch weiter bis Nördlingen. Jetzt fühlte er sich wie gerädert, hatte Kopfschmerzen und spürte Blähungen. Mittlerweile hatte er über fünf Kilo abgenommen, verweigerte sich aber Franziskas Rat, einen Arzt aufzusuchen. Beim flüchtigen Durchblättern der Montagszeitung stieß er auf Sanders Artikel über den Großbrand und den Tod Manuels. Welche Ironie des Schicksals, dachte er. Ausgerechnet für heute war der Termin mit dem Rechtsanwalt anberaumt, bei dem sie sich mit der Glaubwürdigkeit dieses Kindes befassen würden, das gar
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