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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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nicht mehr am Leben war.
    Kugler überflog den Artikel, bis er auf seinen Namen stieß. Natürlich, dachte er resignierend – die Redaktion hatte sämtliche Vorkommnisse von Rimmelbach noch einmal aufgezählt und dabei auch den Machtkampf um die Pfarrstelle vom vergangenen Jahr erwähnt. Ergänzend war sogar ein Kurzkommentar erschienen. Überschrift: ›Fluch über Rimmelbach?‹ Wie ein Nadelstich mitten ins Herz, so trafen ihn diese Worte. Seine schwach gewordenen Augen glitten über den Text, während ihm der Atem stockte: ›Zuerst das endlose Gezerre um die Besetzung der Pfarrstelle, dann zwei rätselhafte Selbstmorde sowie der Versuch, die Stallungen eines offenbar unbequemen Landwirts anzuzünden. Und nun der dramatische Höhepunkt der Ereignisse: Das Kind, an dem sich der umstrittene Pfarrer vergangen haben soll, kommt bei einem Großbrand ums Leben. Alles nur eine Verkettung unglücklicher Umstände – oder gar ein Fluch? Weil die Staatsanwaltschaft schweigt, wird den wildesten Gerüchten Vorschub geleistet. Von Intrigen und Verschwörungen ist die Rede, aber auch von Rache und dubiosen Geschäften. Der Verdacht drängt sich auf, als habe die Ermittlungsbehörde den ›Fall Rimmelbach‹ viel zu lange auf die leichte Schulter genommen. Jetzt ist ein Todesopfer zu beklagen und somit allerhöchste Zeit, mit ernsthaftem Vorgehen noch Schlimmeres zu vermeiden.‹
    »Hast du gelesen, was der Sander heute schreibt?«, fragte Kugler und schob die aufgeschlagene Zeitung seiner Ehefrau über den Tisch.
    »Guter Kommentar«, meinte sie.
    »Guter Kommentar?«, erwiderte Kugler zweifelnd. »Dahinter steckt doch auch die Forderung, gegen mich vorzugehen. So lese ich das jedenfalls heraus. Ich bin doch der ›Fall Rimmelbach‹ – wer denn sonst?« Er faltete die Zeitung zusammen und warf sie auf einen Sessel.
    »Du solltest nicht gleich hinter jeder Formulierung einen Angriff auf dich sehen.«
    »Das sagt sich so leicht, Franziska. Aber was glaubst du denn, was jetzt geschieht? Es gibt keinen im Ort, der mehr Gründe hat, den Manuel umzubringen, als ich. Und wahrscheinlich gibt’s auch keinen, der ganz ohne Alibi dasteht wie ich.« Er sah sie aus wässrigen Augen an. »Nicht mal du kannst mir für die Nacht zu gestern ein Alibi geben.«
    Sie erwiderte seinen unsicheren Blick mit versteinertem Gesicht: »Wer vor Gott verantworten kann, was er getan hat, der braucht kein Alibi.«
    Er überlegte, wie sie dies meinte. »Wer vor Gott verantworten kann, was er getan hat«, – das klang doch so, als sei sie sich seiner Unschuld gar nicht so sicher. Oder spielten seine Nerven jetzt vollends verrückt?
    Die Worte klangen in ihm noch nach, als er wenig später das Haus verließ und mit seinem Mercedes im nahen Urspring auf die B 10 abbog. Der Verkehr war an diesem Montagvormittag erstaunlich dünn, sodass er bereits in einer Viertelstunde den Parkplatz der Anwaltskanzlei in Geislingen erreicht hatte.
    Als ob jetzt gleich sein Todesurteil gesprochen würde, so weich waren seine Knie geworden, als er die paar Stufen ins Obergeschoss hochstieg und einer Empfangsdame erklärte, dass er einen Termin mit Jürgen Schaufler habe. Mehr als ein Monat war inzwischen vergangen, seit er ihn zum ersten Mal aufgesucht hatte.
    Der Anwalt bat ihn in sein großzügig und hell eingerichtetes Büro. »Kaffee?«, fragte der Jurist, aber Kugler verneinte. Er durfte seinen Magen nicht noch zusätzlich reizen.
    Sie nahmen auf der ledernen Sitzgruppe Platz und Schaufler kam sofort zur Sache. Er zog einen Schnellhefter zu sich heran, dessen Umfang auf einen Inhalt von mindestens 50 Blättern schließen ließ. Schon als Schaufler das Deckblatt abhob, erkannte Kugler, dass die bedruckten Texte akkurat aufgelistet und entsprechend formatiert waren. Ein Gutachten wie aus dem Bilderbuch, dachte er. Vermutlich bestand es zu 90 Prozent aus Textbausteinen und zu neun Prozent aus wissenschaftlichem Kauderwelsch. Übrig blieb ein einziges, aber schicksalhaftes Prozent, mit dem der Kinderpsychologe seine felsenfeste Überzeugung darlegen würde, dass Manuel nichts anderes als die reine Wahrheit gesagt hatte, belegt mit tausend Argumenten und Verweisen auf die aktuelle Lehr- und Forschungsmeinung.
    »Entscheidend ist nicht, was die Professoren schreiben, sondern das, was vor Gericht gesprochen wird«, begann Schaufler vorsichtig, als habe er die Gedanken seines aufgeregten Mandanten lesen können.
    Kugler spürte, wie sich all seine Muskeln verkrampften.

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