Machtkampf
Stimme.
»Mompach junior meint, sie hätten’s beide mit derselben Frau getrieben, ohne dies zu ahnen. Droben auf diesem Hochsitz. Und eines Tages im Sommer soll sein Vater hochgestiegen sein und den Hartmann sozusagen in flagranti mit dieser Frau ertappt haben. Ein Glück, dass es damals nicht schon einen Toten gegeben hat.«
Häberle räusperte sich vernehmbar. »Jetzt wird es aber Zeit, dass Sie uns über die Identität dieser Frau aufklären.«
»Da haut’s euch ’s Blech weg«, erwiderte Linkohr. »Karin Stenzel. Die Schulleiterin.«
Mompach hatte eine dreiviertel Stunde auf seinem Liegestuhl gedöst. Einen richtigen Tiefschlaf fand er nicht, weil sich die Geräusche und Gespräche um ihn herum zu Albträumen formten. Mit jedem Schritt, den er abseits des Rasens im sandigen Weg vernahm, spürte er förmlich eine Gefahr auf sich zukommen. Das galt auch für diese Wassermotorräder, wie er die Jetboote nannte. Diese laut aufheulenden Apparate flitzten wie Geschosse über die Wellen und verbreiteten einen Höllenlärm. Glücklicherweise gab es nicht allzu viele solcher Gefährte, stellte er zufrieden fest. Andererseits, so suggerierte ihm eine innere Stimme, konnte man mit diesen Dingern schnell übers Wasser flüchten. Ein ideales Fluchtfahrzeug für einen Killer. Oder für den Erpresser, wenn er im Besitz des Geldes war.
Mompach erschrak über diesen Gedanken und versuchte zum wiederholten Male vergeblich, sich zu beruhigen. Aber was sollte ihm hier am helllichten Tag denn passieren, hier, umgeben von Hunderten sonnenhungriger Touristen, von Hotelangestellten und Spaziergängern da vorne auf dem Sandstrand? Er hatte sich auf die linke Seite gedreht und die Augen unter der Sonnenbrille geschlossen. Immer wenn er kurz blinzelte, traf sein Blick dieses Geisterhäuschen, das sich wie ein Bote aus einer fremden Welt vor ihm erhob, golden funkelnd und reich verziert.
Weil er keine Ruhe fand, stand er auf, legte die Stofftasche mit dem Buch auf den Liegestuhl, um ihn für sich zu reservieren, und lächelte seinen schwäbischen Stuhlnachbarn zu. »Ich geh mal schwimmen«, sagte er und schlurfte mit seinen Badeschlappen auf dem sandigen Weg zum Pool hinüber, um den herum die Liegestühle gruppenweise angeordnet waren. Mompach empfand dies als angenehm, zumal er es nicht mochte, wenn Liegestühle dicht beieinander in Reih und Glied aufgestellt wurden. Beim Näherkommen an das nahezu menschenleere Becken, in dem das Wasser verlockend blau schimmerte und das Sonnenlicht wie funkelnde Diamanten reflektierte, wurde ihm erst das ganze Ausmaß dieses Pools bewusst, zu dem auch ein Planschbecken für Kleinkinder gehörte und sich dazu noch im Regenwaldbewuchs eine Wasserrutsche um Baumstämme und Hecken herumschlängelte.
Mompach streifte seine Badeschlappen ab und stieg über ein paar Stufen in das erfrischende Wasser, um sich mit wenigen Schwimmbewegungen vom Beckenrand zu entfernen. Von der Poolbar schallte ihm ein Ohrwurm der Beach Boys entgegen, während er bereits die andere Seite erreichte, wo der künstliche Flusslauf in den Tropenbewuchs überging. Mompach folgte dem knapp drei Meter breiten Gewässer, dessen Ufer naturnah gestaltet war und das sich in mehreren Windungen, unter Stegen und tief hängenden Ästen hindurch, in diese vegetationsreiche Gartenanlage hinein erstreckte. Kaum war er außer Hörweite der Barmusik, umgab ihn sanftes Plätschern. Wurzeln ragten in das Wasser, verschiedene Düfte wechselten sich ab. Mal roch die Luft erdig, dann wieder betörend nach tropischen Blüten. Mompach vergaß für ein paar Minuten, was ihn seit Tagen bedrückte. Diese Atmosphäre war tatsächlich dazu angetan, sich in diese beruhigende Stille fallen zu lassen. Er wünschte sich, alles vergessen zu können und hierzubleiben. Für immer. Hier oder in seinem Appartement.
Nach weiteren Schwimmzügen tauchte hinter dem nuancenreichen und dichten Grün die Fassade eines der Hotelgebäude auf. Und als das Rauschen des Wasserfalls anschwoll, vermutete Mompach, dass er nach der nächsten Biegung unterhalb seines Zimmers angekommen sein musste. Tatsächlich weitete sich der Flusslauf – genau so, wie er ihn vom Balkon aus gesehen hatte. Rechts neben ihm rauschte das überschüssige Wasser des Whirlpools über einige große Steinbrocken herab – und direkt vor ihm, wo der künstliche Bach scharf nach rechts abbog, trat auf einer Breite von schätzungsweise sechs Metern eine dünne Wasserwand aus der Gebäudefassade
Weitere Kostenlose Bücher