Machtkampf
heraus und stürzte senkrecht hinab. Genau da drüber, so erkannte Mompach, befand sich sein Zimmer. Er hörte auf zu schwimmen und ließ seine Beine auf den gefliesten Beckengrund sinken, sodass ihm das Wasser bis zur Brust reichte. Er ging ein paar Schritte weiter, um in einem günstigeren Winkel zu seinem Balkon hochsehen zu können. Die Tür war noch immer zu, der Vorhang jedoch aufgezogen. Mompach stutzte. Er war sich absolut sicher, den Vorhang nicht angerührt zu haben. Er blieb regungslos stehen und behielt die Glasfront entlang des Balkons fest im Auge. Hatte sich hinter der stark reflektierenden Scheibe etwas bewegt? War da jemand gewesen? Jemand, der seine persönlichen Utensilien durchsuchte? Die wichtigsten hatte er aber in den Kleiderschranktresor geschlossen. Aber wer konnte schon wissen, wie sicher das Zahlenkombinationsschloss war und wer sich damit auskannte? Mompach ging noch ein paar Schritte weiter, um von einem tief hängenden Zweig verdeckt zu werden. Ihm selbst blieb aber ein schmaler Blickwinkel, um die Schiebetür auf dem Balkon fixieren zu können.
Noch einmal vermutete er eine Bewegung hinter dem Glas. Oder hatte ihm seine Fantasie schon wieder einen Streich gespielt? Er wartete noch ein paar Minuten, während derer er seinen Blick starr auf das Objekt gerichtet hielt. Doch da gab es nichts mehr, was ihm verdächtig erschien. Vielleicht, so fiel es ihm plötzlich ein, war es auch nur das Zimmermädchen gewesen, das gerade saubermachte. Das Zimmermädchen? Es hatte vermutlich auch die Vorhänge aufgezogen. Aber natürlich, schoss es ihm durch den Kopf: Zimmermädchen konnten in jedem Hotel der Welt jedes Zimmer öffnen. Daran hatte er bisher überhaupt nicht gedacht.
Er ließ seinen ganzen Körper ins Wasser eintauchen und schwamm weiter – unter einer niedrigen Holzbrücke hindurch, vorbei an der Wasserrutsche und schließlich zurück in den großen Pool, wo an der Bar jetzt ›I just call to say I love you‹ von Stevie Wonder gespielt wurde. Inzwischen tummelte sich ein halbes Dutzend Menschen im Wasser. Unter ihnen entdeckte er auch Udo und Leni, die ihm zuwinkten. »Das ist doch super, gell?«, meinte Leni, als er bei ihnen war und die Beine wieder auf den Grund sinken ließ.
»So einen Pool hab ich noch nirgendwo gesehen«, stellte Mompach fest und wischte sich Wasser aus den Augen. »Ich bin jetzt ganz durchgeschwommen. Genial. Wirklich genial.«
»Wie sind Sie denn auf dieses Hotel gekommen?«, wollte Udo wissen.
Mompach war auf diese Frage nicht gefasst gewesen. Er rieb sich verlegen die Augen. »Durch Freunde«, log er. »Sie haben gemeint, das Hotel sei ein heißer Tipp.«
»Dann sind Sie zum ersten Mal hier in Hua Hin?«, hakte Leni nach.
»Ja – das heißt nein«, Mompach lächelte verlegen. »Ein Freund von mir ist öfter hier. Also nicht in diesem Hotel, sondern in einem Appartement. Ich hab ihn ein paar Mal besucht und deshalb ist mir die Gegend hier einigermaßen vertraut.«
»Und jetzt machen Sie allein hier Urlaub?«, wollte Leni wissen.
»Ja, einfach mal abschalten, nichts tun, weg von unserem hektischen Europa.« Er überlegte krampfhaft, wie er dieses heikle Thema wechseln konnte. »Hier gehen die Uhren doch anders. Allein schon das Klima bremst dich aus. Und ich habe den Eindruck, dass sich diese Wärme auch positiv auf die Gemütslage auswirkt. Die Menschen sind weniger aggressiv – und vielleicht auch weniger depressiv, aber das kann ich nicht beurteilen.«
»Sonne ist doch das, was uns in Deutschland fehlt«, griff Udo das Thema auf. »Es muss doch einen Grund haben, dass kreative Menschen oftmals in den Süden ziehen. Schriftsteller, Komponisten, Maler. Sie alle haben im Tessin oder am Südzipfel des Gardasees ihre besten Einfälle und Ideen. Nur leider können sich das auch nur jene leisten, die’s bereits zu was gebracht haben.«
Mompach sah vor seinem geistigen Auge all die traumhaften Urlaubsziele vorbeiziehen. Den Lago Lugano, den Lago Maggiore mit den italienischen Örtchen Canobbio oder Luino, wo er mit Freunden noch im späten Frühjahr gewesen war. Oder den Gardasee mit den mediterranen Örtchen Garda, Bardolino oder Lazise.
Er wollte dies jetzt nicht vertiefen. Nicht heute. So gerne er auch mit diesen beiden sympathischen Menschen noch geplaudert hätte. Er deutete an, dass er den Pool wieder verlassen und zum Liegestuhl zurückgehen wolle. »Wir kommen nachher auch wieder«, versprach Leni und folgte ihrem Udo in Richtung
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