Machtkampf
folgen, die das Lokal nach hinten hin begrenzte. Mompach ließ sich auf einem der beiden Stühle nieder und beobachtete die Umgebung. Es schien so, als habe keiner der vielen Gäste von seinem Kommen Notiz genommen. Während ihm die Bedienung die Speisekarte auf den Tisch legte, sah er über die hölzerne Brüstung hinweg in die dunkle Landschaft hinaus, wo sich in einiger Entfernung die Lichter einiger Häuser abzeichneten. Er wusste jedoch, dass dort auch eine Eisenbahnlinie entlangführte, auf der die Züge meist einen Höllenlärm verursachten.
Und wieder machte sich ein tiefes Misstrauen breit: War der Platz für ihn absichtlich so gewählt worden, dass dieser Lärm jegliches Geräusch übertönen würde? Was würde geschehen, wenn der nächste Zug mit ohrenbetäubendem Getöse vorbeidonnerte?
Die sichergestellten Utensilien in Igors Wohnung füllten zwei Kombis. Häberle, Linkohr und Vanessa trafen wieder bei den Kollegen der Sonderkommission ein, die einige Neuigkeiten parat hatten. »Es hat tatsächlich noch ein paar Pfeile gegeben«, erklärte einer der Ermittler und hob eines dieser metallenen Objekte in die Höhe. »Sie sehen so aus wie jener, den der Melzinger vor seinen angeschossenen Bäumen gefunden hat.«
»Immerhin etwas«, murmelte Häberle zufrieden.
»Dieser Igor«, fuhr der Kollege fort, »scheint ein begeisterter Pfeil- und Bogenschütze zu sein. Denn nachdem du uns darauf aufmerksam gemacht hast, haben wir in der Wohnung auch auf Spuren danach gesucht. Igor hat ein paar Dutzend Figuren mit Sportlerdarstellungen rumstehen, drei davon zeigen Pfeil- und Bogenschützen. Außerdem gab’s ein paar Fachzeitschriften zu diesem Thema.«
»Sehr gut«, murmelte Häberle. »Und dieser seltsame Aktenordner mit der Aufschrift ›Kind‹?«
»Enthält nichts Besonderes«, meldete sich ein anderer Ermittler zu Wort. »Nur Computerausdrucke aus dem Internet über Vaterschaftsrechte, DNA-Tests und die Grundschulpflicht. Dazu jede Menge nichtssagende Broschüren und Faltblätter des Schulamts, des Jugendamts, von Kinderärzten und Ähnliches. Aber keine persönlichen Schreiben oder Dokumente.«
»Der Ordner war ziemlich dick, wenn ich mich richtig entsinne«, hielt ihm Häberle vor.
»Der Ordner ja, aber was drin war, ist dürftig. Vielleicht wurde ja das Wichtigste inzwischen beseitigt.«
Häberle nickte. Weitaus ergiebiger erschienen ihm die Verbindungsdaten, die mittlerweile von den Mobilfunkanbietern eingegangen waren. Dazu legte ihm ein jüngerer Kollege eine Auflistung vor und interpretierte sie auch gleich eifrig: »Wenn wir davon ausgehen, dass der Brand Sonntagnacht kurz vor 0.30 Uhr ausgebrochen ist, dann käme für uns nur ein einziger Anruf infrage. Wir haben großes Glück, dass in dieser Funkzelle bei Rimmelbach um diese Zeit nur wenig telefoniert wurde. In München sähe dies wohl anders aus.« Er deutete auf eine Zahlenreihe. »Da war um 0.21:17 Uhr ein Anruf aus Moskau – und er dauerte nur fünf Sekunden lang.«
»Das reicht aus, um über diese Vorrichtung, die wir gefunden haben, einen Brandbeschleuniger zur Explosion zu bringen«, fügte ein anderer Kriminalist hinzu. »Und Brandbeschleuniger haben die Jungs aus Stuttgart nachgewiesen. Um genau zu sein: Superbenzin von Aral, Typ Ultimate.«
Linkohr und Vanessa, die inzwischen von den Kollegen scherzhaft als das ›Dream-Team der Polizeidirektion‹ bezeichnet wurden, hörten aufmerksam zu.
»Von Moskau, sagen Sie«, wiederholte Häberle, »dann kann man ja gespannt sein, wer von unseren Herrschaften in der Nacht zum Sonntag in Moskau war. Weiß man denn, von wo aus angerufen wurde?«
»Auch das ist bekannt«, trumpfte der ermittelnde Beamte auf. »Von einem Gerät, dessen Prepaidkarte über Aldi bei O-two angemeldet ist.«
»Also ein deutscher Anbieter?«, hakte Häberle nach.
»Ja, und wir haben in den vergangenen Stunden nach intensiver Recherche auch rausgekriegt, wer die Prepaidkarte angemeldet hat.«
»Oha«, staunte Häberle anerkennend. »Kommt jetzt die große Überraschung?«
»Na ja«, schränkte der Beamte ein, »es handelt sich um einen Raimund Brühl, einen Rentner, hat mal in Geislingen eine Tanzschule betrieben, aber das ist schon eine Weile her. Jetzt hat er einen Zweitwohnsitz irgendwo am Lago Maggiore. Luino oder so ähnlich heißt der Ort.«
»Luino, klar«, griff Häberle den Hinweis auf, denn er war schon häufig mit Susanne im Wohnmobil am Lago Maggiore gewesen. »Italienischer Teil des Sees. Viel
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