Machtkampf
preisgünstiger als die mondänen Schweizer Orte. Schräg gegenüber von Canobbio«, klärte er die Kollegen auf, die jedoch auch mit diesem Ort nichts anzufangen wussten.
»Und was meint der Tanzlehrer dazu?«, mischte sich jetzt Linkohr ungeduldig ein.
»Wissen wir noch nicht«, lautete die Antwort. »Er hat bei der Anmeldung seiner Karte eine Adresse in Bad Überkingen angegeben, vermutlich sein Hauptwohnsitz. Dort gibt es zwar einen Festnetzanschluss, aber er meldet sich nicht.«
»Hoffentlich ist er nicht in Moskau«, meinte Vanessa. »Deshalb sollten wir uns möglichst schnell um ihn kümmern, findet ihr nicht?« Sie sah angriffslustig in die Kollegenschar. »Vielleicht hat er Kontakte nach Rimmelbach.«
Häberle wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment tauchte ein Uniformierter auf, der kurz anklopfte und mit einer Frau im Schlepptau eintrat. »Entschuldigt, Kollegen«, sagte der Mann vom Polizeirevier, »dies ist Frau Mompach. Sie möchte dringend jemanden von der Kriminalpolizei sprechen. Es geht um ihren Mann.«
Häberle hatte sich bereits umgedreht und die Bäuerin begrüßt, die beim Anblick der vielen Personen erschrocken zusammenzuckte. »Keine Angst«, sagte der Chefermittler deshalb und lächelte freundlich. »Das sind alles Kollegen, die sich derzeit intensiv mit Rimmelbach auseinandersetzen. Am besten, wir gehen in mein Büro«, entschied er und bat die Frau, ihm zu folgen.
In seinem Büro saßen sie sich am Besuchertisch gegenüber. Häberle räumte einige Akten beiseite und musterte die Frau, der er durchaus zutraute, auf ihrem Hochsträßhof auch selbst kräftig zupacken zu können. »Ich musste sowieso gerade in die Stadt«, versuchte sie, ihr unangekündigtes Erscheinen zu rechtfertigen, »deshalb hab ich das Ding gleich mitgebracht.«
Häberle wartete gespannt. Sie griff in eine mitgebrachte Plastiktasche und legte einen dünnen Metallstift auf den Tisch. »Wissen Sie, ich sorge mich inzwischen um Heiko, meinen Mann«, sagte sie. Häberle nahm das Objekt vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Es gehörte zu den obersten Geboten eines Kriminalisten, niemals zu zeigen, dass er gerade mit einer völlig neuen Erkenntnis konfrontiert wurde. Für Häberle war sofort klar, was er da in den Händen hielt: einen Metallpfeil. Vermutlich von derselben Sorte wie jener, den ihm Melzinger vorgelegt hatte und wie sie einige davon heute bei Igor gefunden hatten. Er kommentierte dies nicht, sondern besah sich das Objekt interessiert und wartete auf Frau Mompachs weitere Erklärungen. »Ich hab Ihrer Frau Kommissarin ja schon gesagt, dass Heiko im Urlaub ist. Aber mir lässt das Ganze keine Ruhe, das müssen Sie verstehen. Und wenn ich mir alles so überlege, dann hab ich auch Angst um Heiko. Wegen all dieser Dinge mit Hartmann und so.«
»Diese Geschäfte mit Russland?«, hakte Häberle nach.
»Auch, ja. Aber vielleicht ist alles noch viel schlimmer.« Sie war den Tränen nah. »Ich hab solche Angst, dass auch Manuels Tod damit zusammenhängt.«
Häberle reichte ihr ein Papiertaschentuch, mit dem sie die ersten Tränen aus den Augen wischte. »Danke. Und jetzt …«, sie atmete schwer, »… jetzt hab ich diesen Pfeil gefunden, zufällig. Versteckt in Heikos Schreibtisch.« Frau Mompach schnäuzte sich, dankbar, dass ihr Häberle die Zeit dazu gab, ohne eine Zwischenfrage zu stellen. »Heut früh hab ich erfahren, dass auch der Hans – der Hans Melzinger – so was in seinem Wald gefunden hat. Direkt beim Hochsitz.«
»Danke, dass Sie gekommen sind«, erwiderte Häberle mit väterlicher Stimme. »Wir werden das alles prüfen.« Er zog den Pfeil näher zu sich, als wolle er damit das Gesagte unterstreichen.
»Aber ein Pfeil hat doch bei Hartmanns Tod keine Rolle gespielt?«, fragte die Frau misstrauisch nach.
»Nein. Zumindest ist uns nichts davon bekannt.«
»Wissen Sie, wie es Sandra geht?«, wollte Frau Mompach unvermittelt wissen.
»Frau Kowick geht es den Umständen entsprechend«, versuchte sich Häberle herauszuwinden. Er musste sich eingestehen, dass er den neuesten Stand nicht kannte. Aber falls sie inzwischen vernehmungsfähig geworden wäre, hätte ihnen dies die psychiatrische Klinik mitgeteilt.
»Sandra hat nämlich auch Angst«, rang sich Frau Mompach zu einer weiteren Erklärung durch. »Wir haben uns lange unterhalten. Samstagnacht. Sie …« Wieder musste sie sich eine Träne abwischen. »Sie hat – entschuldigen
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