Machtkampf
Sie, Herr Kommissar, aber ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen das erzählen darf.«
»Sie dürfen mir alles erzählen, denn alles, was wir beide hier drin bereden, bleibt unter uns. Es gibt kein Protokoll und niemanden, der uns zuhören kann«, beruhigte Häberle die Frau.
»Danke«, flüsterte Frau Mompach und schloss für ein paar Sekunden die geröteten Augen. »Sandra hat Angst. Ihr Ex-Mann, der Arnold, hat ihr schon vor einem Monat erzählt, bei ihm sei eingebrochen worden, mitten in der Nacht, obwohl er daheim war. Stellen Sie sich das mal vor: Der Mann liegt in seinem Haus im Bett und es bricht jemand ein.«
Häberle nickte und gönnte der Frau eine Pause.
»Er hat sich schlafend gestellt«, fuhr sie fort, »und später hat er dann festgestellt, dass der Einbrecher nur einen Aktenordner mitgenommen hat.«
»Einen Aktenordner? Bei Arnold Kowick?« Häberle versuchte vergeblich, daraus einen logischen Schluss zu ziehen.
»Ja, es sei der Aktenordner mit den Unterlagen über ihr Kind gewesen.«
»Über Manuel?«
»Ja, über Manuel.« Frau Mompach hatte sich wieder im Griff. »Und ein, zwei Tage später, als sie abends noch ihren Rundgang um unseren Hof gemacht hat, hat sie ein unbekannter Mann belästigt.«
»Belästigt? Wie?«
»Erschreckt, meine ich«, berichtigte sich Frau Mompach, »ein vermummter Mann im Nebel sei’s gewesen, sagt sie. Jung und schlank. Mehr weiß sie nicht.«
»Und was hat er von ihr gewollt?«
»Sie hat keine Ahnung. Zumindest hat sie mir gegenüber das behauptet.« Sie zögerte. »Er hat ihr einen Metallknopf hingehalten und gefragt, ob sie den kenne.«
Häberles Interesse stieg. »Einen Metallknopf? Woher?«
»Er will ihn ein paar Tage vorher an dieser Feuerstelle gefunden haben, die …«
»Schon okay«, wehrte Häberle ab. Er wollte ihr das Eingeständnis ersparen, dass sie von der illegalen Müllverbrennung ihres Mannes wusste. »Und was hatte das mit dem Metallknopf zu bedeuten?«
»Weiß sie nicht. Aber der Mann hat gesagt, sie solle sich in Acht nehmen, und er könne ihr noch mehr zeigen.«
»Hat sie eine Vermutung, was er damit gemeint hat?«
»Nein, angeblich nicht.«
Häberle zögerte. »Sie formulieren dies schon zum zweiten Mal sehr vorsichtig. Darf ich daraus schließen, dass Sie ihr nicht so recht geglaubt haben?«
Sie zuckte mit ihren kräftigen Schultern. »Doch, doch, ich glaub ihr schon, aber ich hab mich gewundert, dass sie mir das alles so erzählt hat. Wahrscheinlich hat sie wirklich Angst. Denn bevor der Mann wieder im Nebel verschwunden ist, hat er sie noch gefragt, wie das denn mit Manuel gewesen sei.«
»Wie bitte? Wie was mit Manuel gewesen sei?« Häberle wollte sich vergewissern, dass er richtig gehört hatte.
»Ja, das hat er gesagt.«
»Aber was soll denn mit Manuel gewesen sein?«
»Das hab ich sie auch gefragt. Aber sie hat dann nur geweint.«
Mompach hatte lustlos in der Speisekarte geblättert, sich dann ein kleines Bier und einen Grillteller bestellt. Ob er trotz seines Hungers überhaupt einen Bissen hinunterbekommen würde, erschien ihm fraglich. Er legte einen Arm auf die hölzerne Balustrade und versuchte, sich so lässig wie möglich zu geben. Schon wieder hatte sich Schweiß auf seiner Stirn gebildet. Es war nicht nur die tropische Schwüle, die ihm das Wasser aus allen Poren trieb, sondern die pure Furcht vor dem Ungewissen. Er tat so, als interessierten ihn die geschmackvolle Dekoration und das Ambiente, das nicht aufdringlich deutsch war, dennoch eindeutig auf die Herkunft des Wirts schließen ließ. Mompach überlegte, ob der Betreiber des Lokals – angeblich ein Berliner – noch selbst hinterm Tresen stand. Vielleicht hatte der Gastronom auch schon genügend verdient und konnte sich inzwischen im Hintergrund halten.
Plötzlich traf Mompachs Blick auf einen Mann im T-Shirt, der vier Tische weiter ebenfalls allein saß. Schwarze Haare, Oberlippenbart, etwa 30 Jahre alt und schlank. Durchtrainiert. Als der Mann bemerkte, dass er fixiert wurde, starrte er genauso penetrant zurück. Mompach war das peinlich, weshalb er langsam und gelangweilt zur Seite sah und Interesse für eine Pflanze vortäuschte. Doch in seinem Kopf begann es zu rumoren. Wer war dieser Mann da drüben? Warum saß der alleine da – und dazu noch in seiner Blickrichtung?
Mompach spürte sein Blut im ganzen Körper pulsieren. Von Stunde zu Stunde musste er sich immer stärker eingestehen, solchen Aktionen nicht gewachsen zu sein. Im Dunstkreis
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