Machtkampf
verhindern, dass ein Pfarrer ins Dorf kommt, der die Machenschaften der Großgrundbesitzer anprangert. Auch seinem Jagdgenossen Hartmann war dies suspekt, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich berührte, weil er im Nachbarort Böhmenkirch wohnte.« Häberle trank einen Schluck Mineralwasser. »Man konnte aus Sicht Hartmanns aber nie wissen, welche Einblicke sich der Pfarrer verschaffen würde, schließlich eilte dem ja der Ruf voraus, sich für die Kleinen und Schwachen starkmachen zu wollen – eben halt so, wie man es eigentlich von einem guten Pfarrer erwartet.«
Während er sich ein weiteres Brötchen angelte, meinte Vanessa etwas vorlaut, wie Linkohr es empfand: »Die Männerfreundschaft zwischen Hartmann und Mompach hat wegen einer Frauengeschichte dann einen Knacks gekriegt.«
»Richtig«, bestätigte Häberle. »Und zwar ganz sicher vor Mitte Juli, denn zu diesem Zeitpunkt hat unser Tanzlehrer zwei seiner ehemaligen Schüler beim Geislinger Stadtfest getroffen: den Mompach und – man höre und staune – den Bürgermeister Benninger. Die beiden haben dann zwei Monate später einen Wochenendausflug an den Lago Maggiore gemacht, um den dort lebenden Tanzlehrer zu besuchen. Von Hartmann war da schon keine Rede mehr.«
»Da war doch die Affäre mit der Schulleiterin Karin Stenzel«, warf Linkohr ein.
»So wird’s gewesen sein, ja. Mompach erwischt die Frau Stenzel und seinen besten Freund, den Hartmann, wahrscheinlich in flagranti auf diesem Hochsitz, der beiden abwechselnd als Liebeslaube gedient hat. Jedenfalls deutet alles, was wir da oben gefunden haben, darauf hin – einschließlich der DNA verschiedener Frauen.«
»Und dann steigt der Mompach vor vier Wochen hoch und erschießt ihn mit dessen Gewehr?«, zweifelte einer aus der Runde.
»Nein. Mompach macht das viel eleganter. Nachdem er vermutlich bestens über die dubiosen Geschäfte seines Kumpels informiert war, weil er wohl auch eine Zeit lang selbst davon profitiert hat – und dies möglicherweise noch immer tut –, beginnt er, ihm die Hölle heißzumachen. Denkbar auch, dass die beiden sich nun gegenseitig bekriegen, weil jeder vom anderen Peinliches oder Illegales weiß.«
»›Gleichgewicht des Schreckens‹ nennt man das«, meinte Vanessa und schielte zu Linkohr, der diese Geste nicht zu deuten wusste.
Häberle nickte: »Die Frage ist nur, wer den größeren Dreck am Stecken hatte – Mompach oder Hartmann. Vermutlich hatte Mompach als angesehener Bürger mehr zu befürchten als Hartmann, der ein knallharter Geschäftsmann war. Jedenfalls kommt es an diesem Oktoberabend zu einem Treffen oder vielleicht sogar zu einer Aussprache auf dem Hochsitz. Für Hartmann möglicherweise völlig unerwartet. Wahrscheinlich entsteht sogar ein Gerangel, in dessen Verlauf die Scheibe zu Bruch geht und Mompach seinen Knopf verliert. Als er wieder geht, ist Hartmann am Ende. So jedenfalls stellt sich mir das dar. Vielleicht überlegt er sogar einen Moment lang, seinen Kontrahenten beim Weggehen zu erschießen – dann aber erkennt er möglicherweise die Aussichtslosigkeit seiner eigenen Situation und erschießt sich selbst. Mompach hat das Problem also auf seine Art gelöst – wie vielleicht schon einmal, an Karfreitag. Bei Marquart.«
»Die Leute in den Selbstmord treiben – anstatt sich selbst die Hände schmutzig zu machen …«, fasste Linkohr das Gehörte zusammen.
Nachdem sich nachdenkliches Schweigen breitgemacht hatte, fuhr Häberle fort: »Bei diesem Besuch auf dem Hochsitz verliert Mompach – warum auch immer – einen Knopf an seinem Arbeitsanzug. Das bemerkt er und will dafür sorgen, dass nichts im Hochsitz auf ihn hindeuten kann. Deshalb verbrennt er noch in der Nacht seinen Arbeitsanzug an seiner illegalen Feuerstelle. Unsere Kollegen vom Umweltschutzamt haben dort bekanntlich in der Asche denselben Knopf gefunden wie die Spurensicherer auf dem Hochsitz. Aber daraus allein könnte man natürlich noch keine juristisch tragfähigen Schlüsse ziehen.«
Die Kollegen warteten gespannt, bis Häberle erneut einen kräftigen Schluck Mineralwasser genommen hatte. »Nun aber hat Frau Kugler auf dem Schreibtisch ihres Mannes vergangene Nacht ein verstecktes Kuvert entdeckt, in dem sich ebenfalls ein solcher Knopf befand.«
Es folgte erstauntes Murmeln jener Kollegen, die davon bislang nichts gewusst hatten. »Kugler hat wohl auch so einen Knopf zugespielt bekommen – von wem auch immer. Vielleicht wusste er sogar, von wem,
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