Machtkampf
stellte er dann aber fest, dass vorne noch immer die dicken, auf handliche Größe gestutzten Bambusstöcke lagen.
Er näherte sich dem Meer, wo die Liegewiese nur durch eine kleine Böschung vom schmalen Sandstrand getrennt war. Als breiter Ausläufer des Pazifiks zähmte hier der Golf von Thailand das wilde, tosende Wasser, dem die schmale, sich weit südwärts – Richtung Malaysia – hinziehende Landmasse eine natürliche Grenze bot. Jenseits des Golfs erhoben sich die Territorien der Nachbarstaaten Kambodscha und Vietnam. Mompach ging all dies durch den Kopf, als er sich dem Strand näherte. Mit jedem Schritt schwoll die Lautstärke der Brandung an. Vermutlich ist Flut, dachte er und konnte zwischen den hoch aufragenden Palmen den sternenklaren Himmel sehen, der sich weit draußen, über dem tiefschwarzen Meer, hinter der Erdwölbung verlor. Irgendwo flimmerten dort die Lichter eines größeren Schiffes.
Kurz vor seinem verlassenen Liegestuhl blieb Mompach stehen und sah zu dem Geisterhäuschen hinüber, das sich hier, abseits der Lichter, nur schwach im Grauschwarz der Nacht abzeichnete. Eine sanfte Brise strich vom Meer zu ihm herauf. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er erkannte, dass das Wasser ganz dicht an die begrünte Böschung heranwogte. Vermutlich war ein Großteil des schmalen Sandstrandes vor ihm überflutet.
Er blieb regungslos stehen. Doch mehr als das an- und abschwellende Rauschen des Meeres drang nicht an seine Ohren. Es war so laut, dass es all die anderen Geräusche der Nacht übertönte. Ihm wurde plötzlich bewusst, dass dieser Abend und diese Zeit vermutlich mit Bedacht gewählt worden waren. Eine mondlose, relativ dunkle Nacht mit einer brandenden Flut. Der Unbekannte brauchte sich keine große Mühe zu geben, heimlich durch die Nacht zu schleichen. Die Bedingungen für ihn waren günstig. Mompach stand noch immer da, als hoffe er darauf, dass ihm die Geister, denen zu Ehren überall im Lande solche Geisterhäuschen aufgestellt waren, gut gesinnt sein mochten. Er widmete ihnen ein kleines Stoßgebet und bat sie um Beistand. Doch schon meldete sich wieder seine innere Stimme und mahnte ihn, dass er bei seinen ›bösen Taten‹, die auf ihm lasteten, nicht auf wohlgesinnte Geister hoffen konnte.
Er sah zum nachtschwarzen Strand hinab, der mit jeder heranbrandenden Welle überflutet wurde, blickte über die dezent beleuchtete Liegewiese und die leeren Liegestühle bis zum Pool hinüber, ohne eine Bewegung zu bemerken. Allerdings gab es genügend Verstecke, in denen seine Gegner lauern konnten. Dass sich auch keiner der Sicherheitsmänner sehen ließ, die ihm tagsüber gelegentlich aufgefallen waren, verwunderte ihn. Einerseits hätte er sich gewünscht, nicht ganz allein zu sein – andererseits wäre er jedoch ihren neugierigen Fragen ausgesetzt gewesen.
Mompach ging langsam auf das Geisterhäuschen zu, das ihn jetzt an einen großen Taubenschlag erinnerte, der auf einem mächtigen Sockel thronte.
Noch einmal sah er sich vorsichtig um, als wolle er jedes Detail in sich aufsaugen. Dann stellte er den Koffer an jener Seite des Sockels ab, die zum Meer hinauszeigte. Genau an jene Position, wie sie auf dem Foto gekennzeichnet war. Mompach entfernte sich zügig, als wolle er so schnell wie möglich auf Distanz gehen. Wenn ihn jetzt jemand beobachtete, sah es tatsächlich so aus, als würde er entlang der Wiese wieder denselben Weg zu seinem Zimmer zurückgehen, den er gekommen war. Würde er den Forderungen des Erpressers nachkommen, müsste er jetzt eine Stunde lang auf dem Balkon stehen. Damit würde sich der Unbekannte beim Abholen des Koffers in Sicherheit wiegen.
Mompach hatte sich aber einen anderen Plan zurechtgelegt. Er ging zwar zum Gebäude zurück, um sich für ein paar Minuten auch demonstrativ auf dem Balkon seines Zimmers zu zeigen. Doch damit wollte er nur seine Bereitschaft vortäuschen, auf die Forderung einzugehen. Dafür, so hatte es sich Mompach ausgerechnet, blieb gewiss auch Zeit. Denn der Erpresser würde nicht gleich in der ersten Viertelstunde nach dem vorgegebenen Termin auftauchen, sondern frühestens eine halbe Stunde danach. Er würde sich gewiss erst aus der Deckung wagen, wenn er das Umfeld genau beobachtet hatte.
Mompach sah in den künstlichen, von allen Seiten dicht bewachsenen Bachlauf hinab, dessen hellblau gefliester Untergrund jetzt im Schein unzähliger Strahler besonders verlockend leuchtete. Irgendwo plätscherte ein
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