Machtkampf
Gebäude aus dem Wald ragte. »Trinkwasser aus dem Donauried für den Großraum Stuttgart.« Dem Piloten bereitete es jedes Mal Freude, wenn er einem Neuling an Bord die Besonderheiten der Landschaft erklären konnte. Er zog die Maschine etwas höher, sodass sie nun den weiteren Verlauf der Straße und der Gleise in Richtung Amstetten erkennen konnten.
»Wenn er sich unter den Zug hätte werfen wollen, hätte er dies längst getan«, meinte der Copilot gedankenversunken.
»Mhh«, machte der Pilot und legte den Hubschrauber in eine leichte Rechtskurve, sodass über einem Waldstück vor ihnen die Dächer einiger Häuser zum Vorschein kamen. »Dieser Weiler hat den seltsamen Namen ›Steinbruch‹«, erklärte der Pilot, der sich im Laufe langer Berufsjahre als fliegender Polizist im Gelände besser zurecht fand als manch anderer auf der Landkarte. Ihm machte sein Job noch immer Freude, zumal seine gute Ortskenntnis schon manchem Vermissten das Leben gerettet hatte. »Das war mal eine große Geländewunde dort«, er zeigte über die Häuser hinweg nach vorne. »Aber jetzt ist alles schon wieder zugewachsen. Unglaublich, wie schnell sich die Natur wieder breitmacht. Aber dort unten haben wohl ein paar Jugendliche irgendeine Hütte. Da war früher die Zufahrt zum Steinbruch.« Er ließ die Maschine auf etwas mehr als Baumwipfelhöhe absacken. Der Luftwirbel fegte die bunten Herbstblätter von den Zweigen.
Er reduzierte das Tempo und näherte sich langsam dem Weg, der von den abgeernteten Feldern in den verwachsenen alten Steinbruchbereich führte. Zwischen den kahlen Bäumen konnten sie die Jugendhütte sehen, an der irgendeine Fahne hochgezogen war.
»Da steht sogar ein Auto«, stellte der Copilot fest. »Geh mal näher ran.«
Der Pilot behielt die nahen Baumwipfel im Auge und brachte den Helikopter in der Luft zum Stehen. »Das ist doch ein Mercedes«, stellte er kurz und knapp fest.
Sein Kollege richtete bereits das Fernglas auf das Fahrzeug, das nach einer kurzen Drehung des Hubschraubers nun schräg links unter ihm zu sehen war. »Du, ich werd’ verrückt«, sagte er, »das ist das Fahrzeug von Kugler. Das Kennzeichen passt, der Fahrzeugtyp auch.«
Er griff zum Funkgerät, um die Entdeckung weiterzumelden.
Sandra Kowick war wieder erwacht. Der dünne Schlauch, aus dem die Infusionsflüssigkeit in die Vene ihres rechten Armes tröpfelte, erschien ihr beim Öffnen der Augen wie eine Schlange. Wie lange hatte sie eigentlich geschlafen? Der weiße Vorhang neben ihrem Bett war noch immer zugezogen, das Tageslicht fiel milchig und grau herein. Wo war sie überhaupt?
Da hatte es doch Flammen gegeben und Feuer. Erst langsam fand sich ihr Geist in dem geschockten und von Medikamenten gedämpften Gehirn wieder zurecht. Wo war Manuel? Sie hob vorsichtig den Kopf, doch um sich herum erkannte sie nur Medikamente und irgendwelche Geräte, die sie nie zuvor gesehen hatte.
Willen- und kraftlos sank ihr Kopf wieder in die Kissen. Es war irgendetwas Schlimmes passiert. Oder hatte sie das nur geträumt? Hatte sie einen Unfall mit dem Auto gehabt? Nein, da war doch die Linda, ja, die Linda. Wo war eigentlich Linda?
Und eine Sirene war auch da, ja, eine Sirene hatte geheult.
Sie schloss die Augen und da waren sie wieder, die Flammen.
Aber sie wollte doch telefonieren. Gab es hier keine Klingel? Sie musste sich bemerkbar machen. Ja, sie war in einem Krankenhaus – und da gab’s doch Klingeln.
Sie versuchte, ihren Kopf zu drehen und hinter sich an die Wand zu schauen, doch da gab es keinen Klingelknopf.
Aber wenn tatsächlich etwas Schreckliches geschehen war, dann musste sie dringend telefonieren, bevor noch Schlimmeres geschah. Oder war das Entsetzliche bereits über sie hereingebrochen? Warum sah sie immer dieses Feuer, wenn sie an Manuel dachte?
In Hua Hin war bereits die Nacht hereingebrochen. Mompach hatte den gesamten Nachmittag auf dem Balkon verbracht, sich erst mit Einbruch der Dämmerung – was gegen 18 Uhr war – wieder in sein Zimmer zurückgezogen und aufs Bett gelegt. Noch immer hatte er das Rauschen des Wasserfalls im Ohr, obwohl es gerade verstummt war.
Die Minuten quälten sich dahin. Er verspürte Hunger, doch plagten ihn gleichzeitig Magen- und Darmschmerzen, sein Schädel begann zu brummen, weil er sich zu lange der Sonne ausgesetzt hatte.
Er versorgte sich aus der Minibar mit Mineralwasser und Säften. Nur nichts Alkoholisches, mahnte ihn seine innere Stimme. Fit bleiben und alle Sinne
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