Machtkampf
staunte, wie schlau der junge Mann daherredete. »Wir müssen uns wahrscheinlich über die Art dieser Tätigkeiten noch genauer unterhalten«, kündigte der Ermittler an und dachte an den Pferdefleischskandal der vergangenen Monate. »Vorläufig interessiert uns das Geschehen auf dem Hochsitz. Hat Sie denn Herr Hartmann gebeten, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu gehen?«
»Er hat nur gesagt, dass er noch jemanden erwartet.«
»Ach. Das hat er gesagt? Und damit haben Sie gewusst, dass Sie rechtzeitig gehen müssen?«
»Ja. Deshalb bin ich um kurz vor dreiviertel vier weg.«
Häberle überlegte. »Moment mal, vorhin haben Sie gesagt, sich beim zeitlichen Ablauf nur am Regen orientieren zu können und nicht auf die Uhr geschaut zu haben. Und jetzt meinen Sie, es müsse dreiviertel vier gewesen sein, als Sie den Hochsitz verlassen haben.«
Igor ballte instinktiv die Hände zu Fäusten, ließ sie aber gleich wieder locker. »Ich hab nicht auf die Uhr geschaut, als ich auf dem Balkon war und es geregnet hat. Deshalb weiß ich, dass ich auf jeden Fall vor dem Regen gegangen bin.«
Häberle ließ es dabei bewenden. »Sie sind also runtergestiegen und zu Ihrem Auto gegangen, das bei Hartmanns Geländewagen stand, am Waldeck – so nehm ich an.«
»So ist es. Und dann bin ich zur Landstraße vorgefahren und heim.«
»Auf der Fahrt über den Feldweg zur Landstraße ist Ihnen niemand entgegengekommen?«
Igor schüttelte den Kopf. »Zumindest ist mir niemand aufgefallen.«
»Und dieser Besucher, der nach Ihnen kommen sollte – war der männlich oder weiblich?«
»Keine Ahnung. Ich hab Max nicht danach gefragt. Aber«, er senkte die Stimme, »Sie werden sicher die Kühltasche entdeckt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass Max vor der Abreise noch Damenbesuch erwartete.«
»So?«, gab sich Häberle erstaunt. »Sie meinen also, er hat dort oben ein Schäferstündchen geplant?«
»Herr Kommissar«, lächelte Igor, »hat Ihnen noch niemand davon erzählt, dass Herr Hartmann viele Stunden dort oben verbracht hat?«
»Sie meinen, er hat den Hochsitz nicht nur zum Jagen benutzt?«
»Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern – so sagt man wohl, oder? Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Und das muss auch unter uns bleiben.« Er lächelte vielsagend. »Manche sagen, es gebe in den Ortschaften ringsherum keine junge Frau, die nicht schon mal beim Jagen war.«
Linkohr hatte sich für diesen Nachmittag bei Rimmelbachs Bürgermeister Hugo Benninger angekündigt und leicht verärgert erfahren, dass der Lokaljournalist bereits hier gewesen war. »Mehr als ihm kann ich Ihnen auch nicht sagen«, brummte Benninger.
»Aber mir dürfen Sie ein bisschen mehr erzählen, als es Ihnen der Datenschutz gegenüber Journalisten erlaubt«, wurde der junge Kriminalist sofort amtlich.
»Aber auch da gibt es Grenzen«, konterte der Bürgermeister. »Doch darüber brauchen wir uns jetzt nicht zu unterhalten. Was wollen Sie wissen?«
Linkohr ging kurz auf die Erkenntnisse ein, die Zweifel an einem Selbstmord Hartmanns aufkommen ließen, und ergänzte dann: »Es heißt, der Verstorbene habe enge Beziehungen nach Rimmelbach gepflegt.«
»Das drücken Sie jetzt aber vorsichtig aus, Herr Linkohr.« Benninger grinste. »Wir sind hier ja unter uns. Deshalb sei es Ihnen gesagt: Herr Hartmann war kein Kind von Traurigkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine. In manchen Kreisen würde man sagen: Er hat die Puppen tanzen lassen.« Er überlegte. »Sie dürfen mir glauben, auch auf den Dörfern hat man längst erkannt, wie das Leben heutzutage so spielt.«
»Deshalb auch der überdimensionierte Hochsitz.«
»Herr Hartmann hätte das nicht wirklich gebraucht, schließlich war er Junggeselle und bewohnte ein stattliches Haus. Aber hin und wieder hat ihn auch das Abenteuer in freier Natur gelockt.« Benninger lächelte süffisant. »So sagt man jedenfalls.«
»Und was hat ihn gerade nach Rimmelbach getrieben?« Linkohr stellte sich in Gedanken die eine oder andere Dorfschönheit vor und musste plötzlich an jenen großformatigen Bauernkalender denken, auf dessen Monatsblättern sich alljährlich wohlgeformte und leicht geschürzte Landwirtstöchter inmitten von Viehstall, Scheune oder bei der Feldarbeit ziemlich freizügig präsentierten.
»Zu allererst war’s wohl die Jagd, die ihn hierhergetrieben hat. Er ist Pächter davon. Und außerdem war er mit dem Mompach Heiko befreundet. Der ist auch Jäger – und darüber hinaus ein
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