Machtkampf
Bürger gewonnen haben, dass man Sie in dieses Gremium gewählt hat. Bei der bäuerlichen Struktur hier sicher eine große Anerkennung.«
Die Schulleiterin verengte ihre Augen wie ein Raubtier, das zum Angriff ansetzt. »Wollten wir uns jetzt über Herrn Kugler und Manuel unterhalten oder über die Kommunalpolitik?«
Wissmut ließ sich nicht beeindrucken. »Vielleicht hat ja beides etwas miteinander zu tun. Es soll hier ja unterschiedliche Strömungen geben. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Großbauern und Verlierer. Wie es aussieht, geht der Graben mitten durch das Dorf. Zu welcher Seite würden Sie sich zählen?«
Sie spielte jetzt nervös mit einem Kugelschreiber. »Zu keiner von beiden, Herr Wissmut. Mir geht es stets um die Sache, nicht um persönliche Befindlichkeiten. Auch nicht um Parteipolitik, falls Sie das meinen. Außerdem steht bei mir an vorderster Stelle das Wohl der Kinder und Jugendlichen.« Die Schulglocke ertönte und Wissmut schien es, als fühle sich die Frau von ihr erlöst. »Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss raus.«
»Nur noch eines abschließend«, hielt sie der Kriminalist zurück. »Zusammenfassend darf ich also feststellen, dass Sie Herrn Kugler als integre Persönlichkeit einschätzen?«
»Absolut. Ohne Wenn und Aber.« Sie stand auf.
»Er soll sich aber hier in der Gemeinde anfangs schwergetan haben, akzeptiert zu werden«, blieb Wissmut hartnäckig und erhob sich langsam.
Die Gesichtszüge der Schulleiterin entspannten sich wieder. Offenbar war sie froh, dass die kritischsten Punkte abgehakt waren. »Zu diesem Hickhack möchte ich mich nicht äußern. In einem Dorf gibt es, wie Sie selbst erkannt haben, unterschiedliche Strömungen und Mechanismen, die Sie erst im Laufe der Zeit erkennen. Jedenfalls können Sie sich leicht zwischen alle Stühle setzen.«
»Hat sich denn Herr Kugler zwischen alle Stühle gesetzt?«
»Sie meinen, dass ihm jemand was anhängen will?« Frau Stenzel war jetzt nah an den Ermittler herangekommen.
»Halten Sie das für völlig undenkbar?«, fragte Wissmut zurück und sah ihr fest in die Augen.
Sie hielt seinen Blicken stand. »Als Kriminalist sollten Sie am besten wissen, dass bei solchen Anschuldigungen nichts undenkbar ist.«
Georg Sander hatte kurz vor zwölf noch schnell den Polizeibericht überflogen, den die Göppinger Direktion alltäglich an die Medien mailte. »Hört euch das an!«, entfuhr es ihm beim Lesen der wie immer kurz gehaltenen Meldungen. Sein Gegenüber, Redaktionsleiter Kauz, blieb trotzdem in ein Papiermanuskript vertieft und zeigte keine Regung. Nur hinter den trennenden halbhohen Schränken ließ die Kulturredakteurin ihr Interesse erkennen. Ein Zeichen dafür, dass sie ihre Ohren wie immer in Richtung der vorderen Schreibtischgruppe gespitzt hielt.
»Rimmelbach taucht schon wieder im Polizeibericht auf«, sagte Sander vor sich hin – leicht enttäuscht, dass es nur die Kollegin der Kultur zur Kenntnis nahm. Sie sparte auch nicht mit einem Kommentar: »Wer hat jetzt schon wieder seine sexuellen Gelüste nicht unterdrücken können?«
Sander ging nicht darauf ein. »Jetzt haben sie dort oben gezündelt«, stellte er fest.
»Was haben sie denn abgefackelt?«, hörte er die Stimme der Kollegin hinter sich.
»Nichts, hat wohl nicht geklappt. Sie haben eine Kerze in irgend so eine Scheune gestellt – eine Kerze aus der Kirche.«
»Ach«, zeigte sich nun auch Redaktionsleiter Kauz interessiert und hob den Blick vom handschriftlichen Manuskript eines Berichterstatters des ›Frohen Alters‹. »Mit einer Altarkerze?«
Beide sahen sich für einen Moment verwundert an. Sander überflog noch einmal den Text. »Ja. Hier steht’s: Mit einer Kerze aus der örtlichen Kirche. Es ist aber nichts passiert, weil man’s noch rechtzeitig bemerkt hat.«
»Hey«, mischte sich nun auch Kollege Rahn ein, der gerade ins morgige Layout des Lokalteils vertieft war. »In Rimmelbach tobt das Verbrechen«, kommentierte er das Gehörte flapsig und neigte sich zur Seite, um an seinem großen Flachbildschirm vorbei zu Sander und Kauz hinübersehen zu können. »’s wird Zeit, dass wir die Sache dort oben aufgreifen, wenn jetzt schon mit Kirchenkerzen gezündelt wird.«
Kauz nickte nachdenklich, während Sander an sein gestriges Gespräch mit dem Bürgermeister dachte.
»Sind Sie in der Sache mit dem Pfarrer eigentlich schon weitergekommen?«, fragte Kauz, woraus zu schließen war, dass er ebenfalls einen Zusammenhang mit den
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