Machtkampf
zusammengepresst.
»Ja, andere«, wiederholte Linkohr ruhig. »Hier aus Rimmelbach oder den umliegenden Orten.« Ihm entging nicht, wie nervös die Frau mittlerweile geworden war.
Nach kurzem Zögern antwortete Stefanie abweisend: »Ich weiß nicht so recht, was Sie damit meinen.«
Linkohr sah sie zweifelnd an: »Meine Frage war aber doch ganz unmissverständlich.«
»Trotzdem kann ich nicht mehr sagen, als dass sich der Pfarrer Kugler um mich gekümmert hat.«
Linkohr wollte eine Eskalation vermeiden. Von Häberle hatte er gelernt, dass es besser war, ein Gespräch abzubrechen und eine irritierte Person zurückzulassen, als gleich mit Brachialgewalt Fakten auf den Tisch zu legen.
»Okay«, sagte der junge Kriminalist deshalb. »Vielleicht denken Sie noch mal in Ruhe darüber nach. Es könnte ja sein, Ihnen fällt noch etwas Wichtiges dazu ein. Sie wissen, wo wir zu erreichen sind.«
Häberle erschrak, als er Kugler in dessen Büro gegenübersaß. Das Gesicht des Pfarrers war fahl und faltig. Es sah aus, als sei der Mann innerhalb eines Tages um viele Jahre gealtert. »Man macht mich systematisch fertig«, stellte Kugler fest, als habe er Häberles Gedanken erraten, und deutete zu der aufgeschlagenen Zeitung, die auf seinem Schreibtisch lag.
Häberle seufzte in sich hinein. »Ersparen Sie mir dazu einen Kommentar. Aber wegen dieser Geschichte bin ich auch gar nicht da.«
»Verzeihen Sie, Herr Häberle«, sagte Kugler, der sich auf seinen ächzenden Schreibtischsessel sinken ließ. »Aber ich bin gerade dabei, mit Rimmelbach abzuschließen. Der Oberkirchenrat hat mich beurlaubt und vorgeschlagen, möglichst bald wegzuziehen. Und das werden wir auch tun – meine Frau und ich.«
Der Chefermittler nickte. Er wollte sich in das Verfahren, das sein Kollege Wissmut bearbeitete, zwar nicht einmischen, aber der Theologe, so schien es ihm, hatte vermutlich während seiner kurzen Dienstzeit in Rimmelbach mehr von den Menschen und ihren Vorlieben erfahren, als sogar dem Bürgermeister jemals zu Ohren gekommen war.
Kugler hakte vorsichtig nach: »Hartmanns Selbstmord beschäftigt Sie wohl immer noch? Gibt es denn inzwischen etwas, das Ihre aufwendigen Recherchen noch immer nötig macht?«
Häberle musste eingestehen, dass nur die missglückte Brandstiftung ein handfester Anhaltspunkt war. Alles andere entsprang seinem eigenen Bauchgefühl.
»Damit werden Sie keinen Staatsanwalt und schon gar keinen Richter überzeugen können«, erwiderte Kugler und stellte angesichts seines eigenen Falles fest: »Es sei denn, Sie finden einen Zeugen, der Ihnen irgendeine abenteuerliche Geschichte erzählt.« Der Theologe wischte sich mit einer Hand über das müde Gesicht. »Wissen Sie, ich bin hierhergekommen, um den kleinen Leuten zu helfen. Mittlerweile aber glaube ich, dass viele Kleine von den Großen so geblendet werden, dass sie gar nicht mehr erkennen können, wie mit ihnen Schindluder getrieben wird.«
Häberle nickte verständnisvoll. »Würde die Masse der Menschen mitkriegen, wohin der Hase läuft, müsste manche Wahl ganz anders ausgehen. Aber wie sagt man so schön: Nur dumme Schweine wählen ihren Metzger selbst.«
Über Kuglers Gesicht huschte ein kurzes Lächeln. »Was glauben Sie, wie viele Stunden ich mit manchen dieser wenig betuchten Leute hier diskutiert habe! Sie sind ja nicht dumm, nein, ganz bestimmt nicht. Aber sie sind verblendet, wenn ich das mal so sagen darf.« Er lehnte sich fest in den ächzenden Stuhl. »Und jedes Mal bin ich verblüfft, dass gerade auch die Älteren alles mit sich machen lassen, was ihnen Berlin aufs Auge drückt. Wie etwa diese unglaubliche Regelung, dass man von seiner privaten Altersversorgung, für die man ein halbes Leben lang Teile des Lohnes gleich vom Arbeitnehmer hat abführen lassen müssen, nun plötzlich Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt. Eine rückwirkende Regelung. Ein glatter Betrug, wenn Sie mich fragen.«
Häberle nickte. Er hatte davon erst kürzlich einen Bericht in der Zeitung gelesen und diese klammheimlich eingeführte Regelung als empörend und skandalös empfunden.
»Wissen Sie, was das für manchen kleinen Arbeitnehmer bedeutet?«, fuhr Kugler fort, der spürte, dass auch Häberle gegen die wachsende soziale Ungerechtigkeit kämpfte.
»Das bedeutet«, gab sich der Theologe selbst die Antwort, »dass ein Arbeitnehmer, der 60 000 Euro aus einer solchen Versicherung ausbezahlt bekommt und damit seinen Ruhestand finanziell aufpolstern wollte, aus
Weitere Kostenlose Bücher