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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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schließlich seine Umarmung erwiderte.
    »Wie bist du hergekommen?«, fragte er. »Du hast nicht angerufen … Ich hätte dich abgeholt …«
    »Eric Mayer hat mich hergefahren«, antwortete sie. »Ich … ich wollte erst einmal allein sein.«
    Er trat einen Schritt zurück, seine Hände auf ihren Schultern. Sah sie erneut an. Ihre Augen waren zu groß in ihrem Gesicht, fast wie bei einem Kind.
    »Ich musste erst einmal sehen, wie es sich anfühlt«, fügte sie leise hinzu.
    Natürlich. Das war Valerie. Kein großer Bahnhof. Keine Gefühlsausbrüche. Ein vorsichtiges Herantasten.
    »Ich bin so froh, dass du zurück bist.« Er konnte den Blick nicht von ihr lösen. Da war noch so viel, was er ihr sagen wollte: Ich habe dich vermisst, mir Sorgen gemacht, ich bin fast verrückt geworden vor Angst … aber er brachte es nicht über die Lippen. Sie war so fragil und angespannt, nervös wie ein Reh auf einem Feld, stets bereit für die rettende Flucht.
    Franka von Sandts Worte klangen ihm plötzlich in den Ohren: »Sie müssen Ihrer Frau Zeit geben, dürfen Sie nicht bedrängen … Sie hat viel durchgemacht.«
    Du kannst mir vertrauen, wollte er sagen. Aber was hieß das schon.
    Schritte waren draußen vor dem Haus zu hören. Helle Kinderstimmen. Leonie und Sophie.
    Valerie warf ihm einen nervösen Blick zu. »Marc, ich …«
    Es tat ihm in der Seele weh, sie so zu sehen. »Du schaffst das«, sagte er und legte versichernd seinen Arm um sie. »Die Mädchen werden außer sich vor Freude sein, dich zu sehen.«
    Und so war es auch. Kreischend stürzten sie sich auf ihre Mutter und ließen sie nicht wieder los. Janine blieb in der Tür stehen und beobachtete das Wiedersehen schweigend. »Ich bin froh, dass Sie wieder da sind, Frau Weymann«, sagte sie, als sich die Aufregung etwas gelegt hatte.
    Valerie sah auf, und ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Züge. »Janine …«
    Marc überließ Valerie den Mädchen, die wie Kletten an ihrer Mutter hingen und ihr abwechselnd von all den Dingen erzählten, die sie in der Zwischenzeit erlebt hatten. Er sah, wie sich Valerie entspannte, wie die Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte. Wie sie lächelte und für den Augenblick wieder die Frau war, die er kannte. Gekannt hatte.
    Sie brachte die Mädchen ins Bett und blieb bei ihnen, bis sie eingeschlafen waren. Danach saß sie noch lange auf Sophies Bettkante. Marc betrachtete ihre schmale Silhouette, die sich scharf gegen das Licht der Straßenlaterne abzeichnete, das durchs Fenster fiel. Er wollte sich zu ihr setzen, doch dann sah er, dass sie weinte. Er war versucht, zu ihr zu gehen, sie in seine Arme zu ziehen und zu halten, ihre Tränen zu trocknen, aber etwas hielt ihn zurück. Er wusste nicht, was es war. Unschlüssig verharrte er in der Tür und zog sich schließlich leise zurück.
    Als sie später ins Wohnzimmer kam, schien sie noch blasser zu sein als bei seiner Ankunft. Sie zog ein Päckchen Tabletten aus der Tasche ihrer Jeans. Marc schenkte ihr wortlos ein Glas Mineralwasser ein und reichte es ihr.
    »Danke«, sagte sie leise und setzte sich zu ihm. Sie wirkte verloren auf dem großen Sofa und sah sich im Raum um, als wäre sie zu Gast, eine Fremde. Sie sagte nichts, hielt nur ihr Glas umklammert. Was dachte, was empfand sie in diesem Augenblick? Er wollte das Schweigen zwischen ihnen ausfüllen, die Leere vertreiben, die es in ihm auslöste, doch alles, was er hätte sagen können, schien ihm zu profan, zu alltäglich.
    Schließlich war sie es, die die Stille brach. »Erzähl mir«, bat sie ihn, »die Mädchen haben gesagt, ihr seid über Weihnachten bei deiner Schwester gewesen.«
    Er suchte nach Worten. »Ja, es war …« Er räusperte sich. Es war schön, hatte er sagen wollen, aber wie konnte er das? »Es war besser, als mit den Mädchen hier allein zu sitzen«, sagte er schließlich. Er nahm ihre Hand in die seine. »Wir haben dich so vermisst, Valerie. Leonie wollte erst gar nicht feiern ohne dich.«
    Ihre Finger waren kalt, und sie schloss sie zögerlich um die seinen.
    Ein langer, tiefer Seufzer entwich ihr, und etwas von der Spannung, die zwischen ihnen lag, verflüchtigte sich. Ihre Stimme zitterte, als sie sprach. »Es … es hat so gutgetan, die beiden im Arm zu halten. Manchmal habe ich geglaubt, ich würde sie nie mehr wiedersehen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nie mehr ihre kleinen Hände halten, ihr Lachen hören …«
    »Wir haben die ganze Zeit über gewusst, dass du

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