Machtlos
über ihn sprechen.«
Mayers Gesichtsmuskeln spannten sich an. »Er muss herausgefunden haben, dass Burroughs auf eigene Rechnung arbeitet. Er …« Seine Stimme verlor sich.
»Bringt sie weg«, hörte sie Martinez und sah, wie das Tattoo auf seinem Arm zum Leben erwachte, als er aufstand und das Licht über ihn fiel. Helles Licht. Kälte. Das metallische Schaben des Riegels. Rauher Beton unter ihren Fingern. Und dann nur noch Dunkelheit. Langsam verebbende Schmerzen. Sie zitterte am ganzen Körper.
Mayer berührte sie sanft an der Schulter. Sie schreckte auf und begegnete seinem Blick. »Ich … ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte sie.
»Ich weiß, dass Sie es können«, erwiderte er und reichte ihr seine Hand. »Kommen Sie.«
Sie folgte ihm zu der großen Fensterfront. Er zog den Vorhang zurück. Raketen verwandelten den Nachthimmel über der Stadt in einen bunten Funkenregen.
Ein neues Jahr.
Die Lichter spiegelten sich in Mayers Gesicht, seinen Augen, als er sie ansah. »Das Gute am Leben ist«, sagte er ruhig, »dass es unbeeindruckt von all den Schrecknissen um uns herum weiterfließt und uns zwingt, ihm zu folgen. Und allein dieses Vorwärtsgehen heilt die Wunden.« Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange, und er lächelte versichernd. »Sie sind nicht allein.«
* * *
Robert F. Burroughs hatte sich der Gruppe um Archer angeschlossen, die im exklusiven Überseeclub das Jahr ausklingen ließ. Er war müde, übellaunig, und seine Schulter schmerzte, aber er wusste, wie wichtig es war, heute Präsenz zu zeigen. Die ersten Eindrücke waren immer die, die blieben, alles Weitere musste sich gegen sie durchsetzen, sich an ihnen messen. Er stellte recht schnell fest, dass die Schmerztabletten, die Marcia ihm mitgegeben hatte, nicht kompatibel mit den Cocktails waren, die der Barkeeper mit viel Hingabe zauberte, aber es gelang ihm dennoch, selbst Archer an diesem Abend ein Stückchen weiter auf seine Seite zu ziehen. Natürlich war sie eifersüchtig. Eric Mayer war ihr Schoßhündchen, zumindest hatte sie das gedacht. Und da machte er sich heimlich aus dem Staub und spielte den Helden für eine andere. Burroughs gönnte ihr diese Niederlage. Archer war arrogant geworden in den letzten Jahren, seit ihr Mann in die kanadische Regierung aufgestiegen war und sie einen Abend lang am Tisch des amerikanischen Präsidenten gesessen hatte. Sie vergaß gern, woher sie kam und wer sie gefördert hatte.
Burroughs lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete, wie sich seine südländischen Kollegen an zwei sehr junge, sehr attraktive Frauen heranmachten, bei denen sich Burroughs ernsthaft fragte, wie sie den Eintritt für diese Abendveranstaltung finanziert hatten. Und er bemerkte, dass Archer die beiden ebenfalls beobachtete. Schwerfällig stand er auf und ging zu ihr rüber. Sie sah wie immer phantastisch aus, wie sie da am Bartresen lehnte und in ihrem Drink rührte. Sie trug ein eng anliegendes kleines Schwarzes, das zumindest auf die Entfernung vergessen ließ, dass sie keine zwanzig mehr war.
»Marion, lass mich der Mann sein, der dich an diesem Abend ins neue Jahr führt«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie lachte, und er meinte, dass sie trotz ihrer Haltung schon ziemlich betrunken war.
Irgendwann machte sie dieser Job alle zu verdammten Säufern und Kettenrauchern. Obwohl das Rauchen schwierig geworden war. Nirgendwo war es mehr erlaubt. Aus dem Grund hatte er es sich schließlich abgewöhnt. Nichts war deprimierender, als im Regen vor einem guten Restaurant hastig an einer Zigarette zu ziehen.
»Wie spät ist es?«, fragte er sie, und sie zog ihr Handy aus der Tasche und warf einen Blick darauf. »Gleich halb zwölf. Wir sollten die Jungs zusammentrommeln, wenn wir ans Alsterufer wollen.«
»Ich glaube, die beiden würden lieber hierbleiben«, bemerkte Burroughs mit einem spöttischen Blick auf die Südländer. Der Italiener hatte seinen Arm locker um die Hüften eines der Mädchen gelegt und sah nicht so aus, als würde er sich jetzt für ein Feuerwerk in der Kälte interessieren. Seine Finger tanzten aufgeregt über ihr glitzerndes Kleid.
»Lass Tonio seinen Spaß«, sagte Archer. »Seine Frau hat ihn gerade verlassen. Er braucht ein wenig Aufmunterung.«
Genau das war es, was Burroughs an Archer faszinierte. Sie wusste alles über jeden. Sie war die Mutter Courage der Anti-Terror-Einheit. Immer wach, immer da, immer bestens informiert.
»Was gibt es Neues von unserem gefallenen
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