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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Engel?«, fragte er, als er ihr in ihren eleganten schwarzen Pelzmantel half. Ihr Blick zeigte ihm, dass sie sofort wusste, auf wen er anspielte. Sie hatte es noch nicht verwunden. Im Gegenteil. »Sehen wir hier heute Abend auch nur einen unserer deutschen Gastgeber?«, beantwortete sie seine Frage mit einer Gegenfrage.
    Burroughs blickte sich demonstrativ um. »Ich sehe keinen, aber ich habe sie, ehrlich gesagt, auch nicht vermisst.«
    »Du magst die Deutschen nicht, Bob, das ist dein Problem.«
    Er hielt ihr die Tür auf. »Ich habe es nie als ein Problem empfunden«, erwiderte er mit einem Lächeln.
     
    An der Alster drängten sich die Menschen.
    »Man könnte meinen, ganz Hamburg ist hier«, bemerkte Burroughs säuerlich. Die Kälte kroch in seine Schulter, und er fragte sich ernsthaft, wie er an ein Taxi kommen sollte, wenn der ganze Trubel vorbei war. Vermutlich wollten dann alle hier Anwesenden gleichzeitig eines. Neben ihm knallte ein Korken. Gläser klirrten. Eine Frau kicherte.
    »Zumindest ist der Champagner bei diesen Temperaturen gut gekühlt« bemerkte Burroughs und zog seinerseits ein Glas aus der Manteltasche. Auch Archer hielt jetzt eins in der Hand und ließ sich von John Miller etwas einschenken. Miller, die graue Maus, wagte ihm kaum in die Augen zu sehen, den ganzen Abend über schon nicht. Burroughs hatte getan, als bemerke er es nicht. Aber sobald er morgen seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde er sich mit John unterhalten. Lange – und allein. Und es würde John nicht gefallen. Als Miller Burroughs’ Glas füllte, spritzte Champagner über Burroughs’ Finger. Burroughs unterdrückte eine gehässige Bemerkung, lächelte stattdessen und prostete Archer schon einmal zu.
    Und dann begannen die Menschen neben ihnen zu zählen. Bevor sie bei null ankamen und sich kreischend in die Arme fielen, krachten bereits die ersten Raketen über der Alster. Fontänen von Licht ergossen sich über sie.
    »Ein frohes neues Jahr«, rief Burroughs und prostete seinen Kollegen zu. Keiner von ihnen bemerkte, dass er nichts trank, sondern den Champagner unauffällig in den Schnee zu seinen Füßen rieseln ließ.
    Er ließ es sich in dieser ersten Nacht des Jahres nicht nehmen, Archer persönlich in ihr Hotel zu bringen. In dem Taxi, das er einem empörten dicken Deutschen vor der Nase weggeschnappt hatte, schlief sie an seiner Schulter ein. Er bat den Fahrer zu warten und brachte sie auf ihr Zimmer. Wenn die Erinnerung an den Sex mit Marcia nicht noch so frisch gewesen wäre, hätte er die Situation sicher ausgenutzt. So gab er den Gentleman, auch wenn Archer das am nächsten Tag sicher nicht mehr zu würdigen wusste.
     
    Am nächsten Morgen rief er als Erstes John Miller an. »Wir müssen reden.«
    Miller wehrte sich mit Händen und Füßen, heulte ihm etwas vor von zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf.
    »Sei kein Feigling, John«, schnitt Burroughs ihm das Wort ab. »Wir sehen uns in einer Stunde.« Er wusste, warum Miller einem Treffen unter vier Augen aus dem Weg gehen wollte.
    * * *
    Marc bog um den letzten Absatz der Treppe, in Gedanken noch immer bei der Arbeit, es war der erste Tag im neuen Jahr gewesen. Es hatte sich bereits im gerade abgelaufenen Quartal abgezeichnet, dass die Ergebnisse für das Geschäftsjahr nicht unbedingt rosig sein würden, und der Abschluss hatte diese Anzeichen bestätigt. Es war immer noch etwas anderes, die Zahlen endgültig schwarz auf weiß vor sich zu sehen, und er hatte sie lange mit Torsten hin- und hergewälzt, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Sie würden ein paar Dinge umstrukturieren müssen, so weh es tat.
    Er schloss die Haustür auf. Es war gleich sechs. Eigentlich hatte er früher zu Hause sein wollen. Noch einmal durchatmen, bevor die Mädchen kamen. Janine musste jeden Augenblick mit ihnen da sein.
    »Hallo, Marc.«
    Er erstarrte in seiner Bewegung. Die Hand noch am Garderobenhaken, wandte er sich langsam um. Sie stand in der Küchentür.
    »Valerie!«
    Sie lächelte zögerlich. Unsicher.
    »Valerie, ich …« Er schluckte. Zu erleichtert, zu überwältigt für Worte, sah er sie einfach nur an. Sie war blass, hohlwangig. Tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, aus denen eine Müdigkeit sprach, die er so nicht von ihr kannte. Was haben sie mit dir gemacht?, wollte er fragen. Was haben sie dir angetan? Aber er tat es nicht. Still ging er auf sie zu und zog sie in seinen Arm. Vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und spürte, wie sie

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