Machtlos
ausgeführt hatte, stellte Valerie Weymann trotz aller ihr vorgelegten Beweise weiterhin hartnäckig in Frage. Was versprach sie sich davon? Mayer spürte, wie ihn der Gedanke an sie immer wieder aufs Neue nervös machte. Burroughs war vom ersten Tag ihrer Verhaftung an versessen darauf gewesen, sie in seine Gewalt zu bekommen. Warum? Nüchtern betrachtet war sie in dem ganzen Puzzle nicht mehr als eine Randfigur. Ihre enge Freundschaft zu Noor al-Almawi, ihre gefährliche Beziehung zu Abidi und die Verwaltung der Stiftung durch Meisenbergs Kanzlei, von der sie vielleicht noch nicht einmal etwas wusste, das waren die Fakten, aus denen man ihr einen Strick drehen konnte – wenn man wollte. Um Burroughs’ Besessenheit zu erklären, war das jedoch zu dünn. Was besaß sie, was wusste sie darüber hinaus?
Was fürchtete er?
Mayer richtete sich unwillkürlich auf bei diesem Gedanken. War es das? War Burroughs’ Triebfeder die Furcht? Er versuchte, sich die Begegnungen zwischen Burroughs und Valerie Weymann ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Amerikaner war nur bei wenigen Vernehmungen anwesend gewesen. Als hätte er ihre Nähe in Gegenwart anderer gemieden. Mayer machte sich eine Notiz auf seiner Schreibtischunterlage. Er würde sich die Video-Aufzeichnungen noch einmal ansehen. Bislang hatte er bei den Auswertungen der Aufnahmen hauptsächlich auf Valerie Weymann geachtet und nicht auf den CIA -Agenten. Er hatte schlimmste Befürchtungen, wohin Burroughs sie gebracht haben mochte und was dort mit ihr geschah. Die CIA war nicht nur unter Insidern bekannt dafür, dass sie eine regelrechte Kunst im Brechen von Widerstand entwickelt hatte, ein Verhörsystem, für das es sogar ein Handbuch gab. Das Wort »Folter« kam darin nicht vor, aber die Praktiken, zu denen es anleitete, waren nichts anderes als genau das.
Es klopfte an seiner Tür.
Auf sein »Ja, bitte« tauchte Florian Wetzels wirrer Haarschopf auf. Mayer sah seinen jüngeren Mitarbeiter erwartungsvoll an.
»Ein Learjet«, sagte Wetzel und legte ihm ein Blatt Papier auf den Schreibtisch, das nicht nur die komplette Typenbezeichnung und Nummer des Flugzeugs enthielt, sondern auch seinen Bestimmungsort.
Bukarest, Rumänien.
Rumänien. Das war plausibel. Die CIA hatte über viele Jahre dort ein Gefängnis betrieben, eine ihrer
black sites
. Aber die Einrichtung war aufgelöst worden. Er wusste es von einem Agenten vor Ort. Gab es vielleicht eine zweite Anlage?
Er starrte auf den Zettel auf seinem Schreibtisch.
Rumänien, das konnte er nachvollziehen. Bukarest weniger. »Überprüfen Sie, ob dieser Jet in den vergangenen Wochen mehrfach dieses Ziel oder ein anderes in der Region angeflogen hat.«
Ein Lächeln glitt über Wetzels breites Gesicht. »Hab ich schon gemacht.« Er legte Mayer ein weiteres Papier vor. »Laut Eurocontrol haben sie Bukarest in dem fraglichen Zeitraum angeblich dreimal angeflogen.«
Angeblich. Wetzel wusste, worauf er hinauswollte.
»Können Sie herausfinden, ob die Flugrouten manipuliert wurden?«
»Ich bin dran. Bei der Suche nach Alternativen bin ich auf einen kleinen, erst vor zwei Jahren fertiggestellten Provinzflughafen gestoßen, der in einer Gegend liegt, wo man sich ernsthaft fragen darf, warum gerade dort eine solche Anlage nötig ist.«
Mayer sah zu Wetzel auf und lächelte das erste Mal an diesem Tag. »Gut gemacht.«
Sobald er allein war, griff er zum Telefon und wählte eine Nummer, die er schon sehr lange nicht mehr angerufen hatte, aber immer noch auswendig wusste. »Hallo, hier ist Eric«, sagte er, als sich am anderen Ende eine dunkle Männerstimme meldete. »Ich brauche deine Hilfe.«
* * *
»Wir werden nicht zulassen, dass du stirbst«, hatte er ihr gesagt, bevor sie begannen, »aber wir werden dich an den Rand des Todes bringen und wieder zurückholen.« Er führte sein Versprechen mit klinischer Präzision aus, und Valerie lernte, nicht den Tod als Bedrohung zu empfinden, sondern das Warten darauf.
Er war ein Meister seines Faches. Seine Miene verriet kein Mitleid, seine sicheren Handgriffe kein Zögern. »Du bist hier, weil du nicht reden willst«, sagte er leidenschaftslos, während sich das Tattoo auf seinem Arm bei jeder Muskelbewegung wie ein lebendiges Wesen bewegte. »Wenn
ich
dich frage, wirst du reden.«
Sie hatten sie in der kahlen Zelle zurückgelassen, in die sie nach ihrer Ankunft gebracht worden war und wo sie ihm das erste Mal begegnet war. Wo sie ihr die Kleidung vom Leib geschnitten
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