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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Auf dem syrischen Tanker, kurz bevor er Safwan erschossen hatte.
    Sie dachte an Leonie und Sophie, starrte auf die Fotos, hob ihre Hand und tippte wahllos auf zwei der Abzüge. »Dieser«, sagte sie, und das Blut, das ihr über das Gesicht lief, vermischte sich mit ihren Tränen. »Und dieser.«
    Sie wusste, dass sie die beiden Männer damit zum Tode verurteilte, wenn nicht sogar zu Schlimmerem.
    Burroughs lächelte, als er die Aufnahmen auf den Tisch zurücklegte. Er beugte sich dicht zu ihr.
    »Du hast eine Menge gelernt«, sagte er leise, dass nur sie es hören konnte. Er war ihr so nah, dass sie die grauen Bartstoppeln unter seiner Haut erkennen konnte. Seinen Atem an ihrem Ohr spüren. »Aber es wird dir nichts nützen.«
    Er lächelte, als er ausholte und ihr in den Unterleib schlug, wohlwissend, was er damit anrichtete. Valerie schrie auf. Sie bekam nicht mehr mit, wie er den Raum verließ.
    * * *
    Burroughs blickte zufrieden auf die Verhörprotokolle, die er soeben verschickt hatte. Alles ging seinen Gang, genau so, wie er es geplant hatte. Noch ein paar kleine Details und er konnte seine Aufgabe abschließen. John Miller fragte täglich an, wann er nach Hamburg zurückkehren würde, aber Burroughs verspürte wenig Lust, seinen Platz im Team wieder einzunehmen. Ein paar Tage Auszeit waren genau das, was er jetzt brauchte. Weit weg von der großen Politik, die ihn vom Wesentlichen abhielt. Die Männer und Frauen hier machten eine schmutzige, aber notwendige Arbeit, die die Basis der Agency darstellte: Informationsbeschaffung. Sie waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, eigenwillige Typen, die kaum in ein Raster passten. Wer sich freiwillig für einen solchen Job meldete, war ein Exot, der in der Agency eine Nische für seine Fähigkeiten gefunden hatte. Wie Don Martinez. Ein Mann, der sich nicht führen ließ, der überaus schwierig im Umgang war, aber einer der besten Verhörspezialisten, den die CIA hatte. Burroughs hatte nicht gewusst, dass er hier sein würde. Oder Marcia Moore. Als Ärztin hatte sie früher High-Society-Patienten betreut. Er wusste nicht, warum sie mit diesem Leben gebrochen hatte; sie unterstützte die Verhöre von medizinischer Seite.
    Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Ein paar von den Jungs waren draußen gewesen und hatten einen Baum organisiert und aufgestellt. Es würde eine nette Feier werden mit einem Truthahn von einem der Bauern aus der Umgebung. Marcia war es gelungen, über einen befreundeten Piloten ein paar Kisten Bud aus den Staaten zu bekommen. Es war doch etwas anderes als das bittere Bier, das sie in Europa brauten. Ein paar Flaschen hatten sie am Vorabend schon miteinander geleert. Wenn er nach den Feiertagen zurück nach Deutschland flog, war das immer noch früh genug.
    Er schaltete seinen Laptop aus und reckte sich. Er würde das letzte Tageslicht für einen Spaziergang nutzen und Marcia fragen, ob sie ihn begleitete. Ihre Schicht war seit Mittag zu Ende. Er hatte es auf dem Plan nachgesehen. Es war nicht leicht, an sie heranzukommen, sie zeigte sich gern spröde, aber er brauchte ihre Hilfe.
    Er fand sie in dem Aufenthaltsraum, den alle großspurig das »Casino« nannten, obwohl es hier nicht mehr gab als ein paar Sitzgruppen und eine Stereoanlage. Sie blätterte gelangweilt in einer Illustrierten.
    »Lust auf einen kleinen Spaziergang?«, fragte er.
    Sie ließ die Zeitschrift sinken. »Einen Spaziergang? Dazu hat mich hier noch niemand eingeladen.«
    Burroughs zuckte die Schultern. »War nur eine Idee.«
    Sie maß ihn von oben bis unten.
    Er lächelte. »Wie sieht es aus?«
    Ein Funkeln trat in ihre Augen. »Wenn Sie mir amüsante Unterhaltung versprechen …«
    »Nichts leichter als das«, erwiderte er und reichte ihr seine Hand.
     
    Sie verließen das Gelände, das von dichtem Wald umgeben war, und folgten einem schmalen, vom Wild ausgetretenen Pfad. Der Schnee lag hoch und zwang sie, dicht nebeneinander zu gehen. Er nahm ihren Arm und bemerkte, wie sich ihr Körper bei der Berührung anspannte. Sie entzog sich ihm jedoch nicht.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie nach einer Weile. Misstrauen lag in ihrer Stimme, und Burroughs erinnerte sich an ein Gespräch zweier Kollegen über sie, das er zufällig mit angehört hatte. Er blieb stehen. Sie hatten eine Lichtung erreicht. Die tief stehende Sonne warf lange Schatten über den Schnee und verlieh ihrem kurzen blonden Haar einen rötlichen Schimmer. »Ich war überrascht, jemanden wie Sie

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