Machtlos
mit Noor al-Almawi nichts zu tun. Burroughs hatte sich bemüht, ihr Vertrauen zu gewinnen, indem er mit den Männern getrunken hatte bis zum Umfallen, sich mit ihnen verbrüdert hatte. Doch es hatte nicht genügt. Er musste weiterhin vorsichtig auftreten. Er machte sie ohne ihr Wissen zu Mittätern. Das spielte ihm in gewisser Weise zu, konnte andererseits jedoch seinen bislang tadellosen Ruf innerhalb der Agency nachhaltig gefährden, wenn es an falscher Stelle zur Sprache kam.
Hinter ihm schlug eine Tür zu.
»Bob?«
Er wandte sich um. Marcia hatte die Hände in den Taschen ihres weißen Kittels vergraben und kam langsam auf ihn zu. Auch sie war mit im Boot, ohne es zu wissen.
»Es tut mir leid, dass ich so grob war«, sagte sie. »Ich wollte nicht streiten …«
»Marcia«, fiel er ihr lächelnd ins Wort. »Es war eine Auseinandersetzung in der Sache. Ich kann das sehr wohl trennen.« Warum entschuldigte sie sich bei ihm? Was wollte sie? Er traute ihr nicht, aber er brauchte sie fast noch mehr als die anderen. Ihre Unterschrift legalisierte seinen Plan.
Marcia ahnte nichts von seinen Gedanken. Sie erwiderte sein Lächeln zurückhaltend, aber etwas lag in ihrem Blick, das ihn schon bald zwingen würde, mit ihr ins Bett zu steigen, um sein Spiel glaubwürdig zu halten. Sie war nicht mehr die Jüngste. Er schätzte sie auf knapp über fünfzig. Ungebundene Frauen in diesem Alter waren gefährliche Kletten. Er streckte Marcia eine Hand entgegen und zog sie in seinen Arm. »Das Letzte, was ich möchte, ist, mich mit Ihnen zu streiten«, flüsterte er in ihr Ohr und sagte dabei ausnahmsweise sogar einmal die Wahrheit.
Er sah ihr nach, als sie den Flur hinunterging. Sie war eine attraktive Frau. Es wäre keine Strafe, sie zu vögeln. Er verspürte sogar eine gewisse Lust, wenn er darüber nachdachte. Und wenn er sie so dazu bringen konnte, al-Almawi sterben zu lassen, hatte er eine saubere Lösung und Marcia in der Hand.
Dass sein Plan doch nicht ganz so einfach aufgehen würde, wurde ihm klar, als er Martinez auf sich zukommen sah. Bei seinem Anblick fragte sich Burroughs immer, wie viele Stunden der Mann täglich trainierte, um die Muskelmasse seines Körpers aufrechtzuerhalten. Er hatte ihn im Fitnessraum beobachtet, wo Martinez mit einer Verbissenheit und Ausdauer Liegestütze und Klimmzüge gemacht hatte, die Burroughs unwillkürlich an seine Zeit bei der Army erinnert hatten. Aber das belastete Burroughs nicht weiter. Sein Problem im Umgang mit Martinez lag darin, dass er mit dem Mann einfach nicht reden konnte. Martinez war völlig unempfänglich für subtile Konversation, ein Feld, auf dem sich Burroughs gern und sicher bewegte. Martinez war direkt. Zu direkt für Burroughs’ Geschmack.
Jetzt baute er sich vor ihm auf, und das Testosteron, so schien es Burroughs, sprang ihm geradezu aus den Augen. »Du hast verdammte Scheiße gebaut, Burroughs«, sagte er kalt. Auch das war eine seiner unangenehmen Eigenschaften. Er sprach jeden mit seinem Nachnamen an. Selbst die Frauen.
Burroughs warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich hab in wenigen Minuten eine Web-Konferenz …«
»Dann werden deine Leute wohl auf dich verzichten müssen.«
Burroughs sah sich um. Sie waren allein. Nicht dass sich Martinez von Zeugen hätte irritieren lassen, dennoch …
Burroughs wich einen Schritt zurück. »Ich kann dir nicht ganz folgen, Don.« Er bemühte sich um eine dezente Note der Überraschung in seiner Stimme. Aber seine Kunst war vergeblich bei einem Tier wie Martinez.
»Du weißt genau, worum es geht«, erwiderte dieser.
Burroughs presste die Lippen zusammen. »Was weiß ich?«, fragte er scharf und zog unauffällig die kleine Pistole aus dem Halfter, die er auch hier ständig bei sich trug.
Martinez musterte ihn abschätzend. »Weymann hat keine Ahnung. Sie hat mit den Anschlägen in Hamburg nichts zu tun.«
»Hast du vergessen, dass sie dem Attentäter zur Flucht verholfen hat und sich von ihm hat flachlegen lassen?«
»Sie weiß nichts«, beharrte Martinez. »Sie hat hier nichts zu suchen.« Er machte einen weiteren Schritt auf Burroughs zu und drückte ihn gegen die Wand. »Für wen arbeitest du?«
Burroughs schnappte nach Luft. »Spar dir deine Methoden für die Gefangenen auf«, stieß er gepresst hervor und drückte Martinez den Lauf seiner Pistole unter die Rippen.
Martinez ließ ihn abrupt los und trat einen Schritt zurück. Burroughs richtete sich seine Krawatte und strich sein Sakko glatt. Atmete
Weitere Kostenlose Bücher