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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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wusste sie, dass die Menschen in diesem Ort sie nicht sofort an die Amerikaner auslieferten? Das Lager konnte nicht weit fort sein. Sie wandte sich um und sah zu den Bergen, aus denen sie gekommen war. Hinter der sanft ansteigenden Ebene erhoben sich bewaldete Hügel, die zu schroffen Gipfeln aufstiegen. Dort irgendwo …
    Sie wandte den Blick ab. Die Übelkeit, die sie bei dem Anblick verspürte, war nicht allein der Angst vor der Weite zuzuschreiben, die sie seit Verlassen ihrer Zelle quälte. Aber hätte Martinez sie hierhin geschickt, wenn er damit rechnen musste, dass die Dorfbewohner mit den Amerikanern kollaborierten? Sie richtete sich mühsam auf. Was wusste sie schon, was Martinez trieb. Was wusste sie schon, warum er sie freigelassen hatte. Sie dachte an seinen Blick, den er ihr über den Lauf seiner Waffe zugeworfen hatte. Die Kälte seiner dunklen Augen. Nie zuvor war sie einem solchen Mann begegnet. So kompromisslos. Sie machte einen Schritt zurück auf die Straße. Zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Erneut erfasste sie Schwindel.
    Irgendwo bellte ein Hund. Das erste Zeichen von Leben in diesem Ort. Valerie wurde seltsam leicht im Kopf. Sie schloss die Augen, um wieder zu sich zu kommen. Aber es half nichts. Sie taumelte zurück zum Zaun. Verharrte einen Moment, bis sich die Benommenheit legte. Sie durfte nicht mitten auf der Straße in Ohnmacht fallen, sichtbar für jedermann. Sie musste sich verstecken, bis es ihr besser ging. Mit kalten Fingern klammerte sie sich an die Bretter. Der Klang von Kirchenglocken hallte zu ihr herüber. Sie erinnerte sich an den Turm, den sie vom Hang aus gesehen hatte, und zog sich an dem Zaun entlang, bis sie ein Tor erreichte. Es ließ sich leicht aufdrücken. Das Haus dahinter war nicht groß und versehen mit einem einfachen Spitzdach und grauem Putz. Daneben lag ein Stall. Valerie taumelte darauf zu und rüttelte an der Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Der Geruch von Tieren strömte ihr entgegen, als sie sie aufzog. Ein Rascheln. Es war dunkel und wärmer als draußen. Sie zog die Tür zu und lehnte sich erschöpft dagegen, bis sich ihre Augen nach der gleißenden Helligkeit des Schnees und des Sonnenlichts an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Zwei Ziegen sahen sie neugierig an, und auf einem halb hohen Balken hockte eine Gruppe Hühner, die mit leisem Glucken zurückwichen, als sie näher kam. Arbeitsgeräte standen in einer Ecke. Valerie sank ins Stroh. Sie war in Sicherheit.
     
    Irgendwann wachte sie auf und wusste nicht, wo sie war. Zuckte erschrocken zurück, als sich die Tiere neben ihr bewegten. Ihr Kopf dröhnte, und sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    Sie hatte Durst. Entsetzlichen Durst.
    Draußen war es stockdunkel. Niemand würde sie sehen, wenn sie den Stall verließ. Im Schutz der Dunkelheit konnte sie Schnee essen und dann nach Hilfe suchen. Sie lauschte in die Stille. Da war nichts außer dem friedlichen Kauen der Ziegen und dem Rascheln der Federn, wenn sich eins der Hühner bewegte. Valerie wollte sich aus dem Stroh hochdrücken, aber ihr fehlte die Kraft. Mit heftig klopfendem Herzen wartete sie darauf, dass ihr Atem sich beruhigte und die Benommenheit wich, die sofort wieder von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie versuchte es noch einmal. Es war hoffnungslos. Das harte Stroh stach durch die Hose hindurch, als sie erneut zurücksank.
     
    Licht fiel in ihr Gesicht. Sie wandte den Kopf ab und wich zurück. Kamen sie, um sie zu Martinez zu bringen? Dann spürte sie die Kleidung auf ihrem Körper, das Stroh unter ihren Händen und erinnerte sich.
    Sie erkannte einen Umriss in dem Licht. Es war eine alte Frau, die bei Valeries Anblick erschrocken zusammenzuckte und sich bekreuzigte.
    »Bitte«, flüsterte Valerie heiser, »ich habe solchen Durst.«
    Eine rauhe Hand legte sich auf ihre Stirn, und Valerie sah die Sorge in den kleinen dunklen Augen der Frau. Dann sprach sie auf Valerie ein, aber Valerie konnte sie nicht verstehen.
    »Bitte«, flüsterte sie nur, bevor sie erneut das Bewusstsein verlor.
    * * *
    Robert F. Burroughs atmete schwer, als er sich völlig ausgepumpt und zufrieden von Marcia Moore löste. Der Morgen graute bereits, und sie hatten eben ihre dritte Runde beendet. Nach dem Weihnachtsessen waren sie auf ihr Zimmer gegangen und hatten den Tag mit Songs von Chris Rea ausklingen lassen. Bei
Driving Home for Christmas
war es dann so weit gewesen. Eng

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