Machtlos
sachliche Ruhe, die er nach außen demonstrierte, war nichts als professionelle Fassade. In seinem Inneren brodelte es beim Anblick der Bilder.
Der Pathologe schaltete das Licht der Schirme aus. »Sie haben uns zwei Proben gegeben, mit denen die DNA der Frau verglichen werden sollte, ist das richtig?«
»Das ist richtig. Wann kann ich mit dem Ergebnis rechnen?«
»Nicht vor morgen Vormittag.«
Mayer runzelte die Stirn. »Schneller geht es nicht?«
Der Pathologe schüttelte den Kopf. »Wir verwenden schon die schnellsten Verfahren, die entwickelt wurden.«
Mayer reichte dem Mediziner seine Karte. »Bitte informieren Sie mich umgehend. Sie können mich jederzeit auf dem Handy erreichen.«
»Denken Sie über meine Bitte nach«, hakte der Pathologe nach. »Was wir hier vorliegen haben, ist ein sehr ungewöhnlicher Fund.« Er blinzelte Mayer durch seine Brillengläser an. »Aber das wissen Sie vermutlich selbst.«
Das wusste Mayer in der Tat. Von den Amerikanern gab es keine medizinischen Nachweise über Folteropfer. Sie hatten ihre Techniken auf diesem Gebiet so fortentwickelt, dass sie keine nachweisbaren Spuren mehr hinterließen. Vielleicht hatten sie endlich etwas in der Hand, das weit höhere Wellen schlagen würde, als es jedem von ihnen lieb sein würde.
Der Fund des Leichnams war reiner Zufall gewesen. Er hatte in einer Felsspalte im Wald weit oberhalb der geheimen Einrichtung der Amerikaner gelegen und somit außerhalb des Sperrgebietes, das um die Anlage errichtet war. Vermutlich wäre er niemals gefunden worden, hätte nicht eine Gruppe rumänischer Naturschützer und Biologen dort die Spur eines Wolfsrudels verfolgt, das angeblich in einem der Dörfer Haustiere gerissen hatte. Die Wölfe waren noch nicht lange wieder in der Region heimisch, und das Misstrauen in der Bevölkerung ihnen gegenüber entsprach in etwa dem, das sie auch den Amerikanern entgegenbrachten.
Es war nicht ganz unproblematisch gewesen, die Zustimmung der rumänischen Behörden für die Ausfuhr des Leichnams nach Deutschland zu bekommen, aber letztlich war es ihnen mit Hilfe eines hochrangigen Mitglieds der Regierung, eines Mannes, den Mayer schon länger und sehr gut kannte, gelungen, die Genehmigungen zu erhalten. Mayer war sich sicher, dass Burroughs am anderen Ende des Stricks gezogen hatte, um genau das zu verhindern.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, hatte er eine SMS von Marion Archer erhalten: »
Wir müssen reden. Kaffee, Winterhuder Marktplatz, acht Uhr?«
Der Winterhuder Marktplatz lag nicht weit vom Polizeipräsidium entfernt. Vor einiger Zeit hatte er dort mit Archer zusammen einen Bäcker ausfindig gemacht, der bereits in aller Frühe Frühstück anbot und einen Kaffee, der weitaus besser war als der in der Kantine des Präsidiums. Außerdem gab es dort niemanden, der ihre Gespräche zufällig mithören konnte.
Archer war wie immer wie aus dem Ei gepellt und auf die Minute pünktlich. Sie stieß die Glastür auf und warf einen suchenden Blick durch den Raum.
Als sie Mayer entdeckte, lächelte sie, winkte ihm ausholend zu und bestellte sich am Tresen Kaffee und ein Croissant, bevor sie sich zu ihm setzte. »Sie sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen wegen dieser Leiche, die sie aus Rumänien geholt haben«, sagte sie und tunkte ihr Croissant in ihre Tasse. »Ich war gestern mit John Miller essen. Er ist völlig außer sich deswegen.«
»Ist das der Grund, warum Sie mich treffen wollten? Hat er Sie vorgeschickt, um Verhandlungen mit mir aufzunehmen?«, fragte Mayer ungehalten.
Sie legte ihre Hand auf die seine. »Nicht direkt, Eric. Aber er wäre sicher erleichtert, wenn er von diesem Gespräch wüsste.«
»Vielleicht sollten Sie in das Rechtsmedizinische Institut fahren und sich die Frau ansehen«, schlug Mayer vor. »Das ist nichts, worüber wir einfach wegsehen können, vor allem dann nicht, wenn es sich um die sterblichen Überreste von Valerie Weymann oder Noor al-Almawi handeln sollte.«
»Das wollte ich damit auch nicht sagen«, beruhigte Archer ihn. »Ich wollte Sie nur bitten, dass Sie die Auseinandersetzung mit den Amerikanern auf nach dem Gipfel verschieben. Machen Sie innerhalb der Einheit nicht öffentlich, was Sie herausgefunden haben.«
»Nach den neuesten Ermittlungsergebnissen denken die Verantwortlichen in meiner Regierung bereits darüber nach, die ganze Veranstaltung abzusagen.«
Archer stöhnte. »Das wäre ein Desaster. Dazu darf es nicht kommen.«
Mayer warf ihr einen
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