Machtlos
Seitenblick zu. »Der Klimagipfel bedeutet Ihnen sehr viel.«
»Sie wissen gar nicht, wie viel Arbeit da drinsteckt. Die Vorbereitungen laufen seit mehr als einem Jahr.«
»Sie sind erstaunlich gut informiert.«
Sie lächelte verlegen. »Mein Mann ist im Umweltausschuss der kanadischen Regierung.«
»Ihr Mann«, fragte Mayer. »Ist er noch in der Stadt?«
»Nein, er ist gestern Abend zurückgeflogen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Sie haben mich wieder ganz für sich.«
Mayer grinste, doch bevor er antworten konnte, sah er einen Mann in die Bäckerei kommen, den er just in diesem Augenblick nicht unbedingt treffen wollte. Marc Weymann bemerkte Mayer und Archer nicht, als er an den Verkaufstresen trat, um Brötchen zu kaufen. Mayer war überrascht, ihn hier zu sehen, erinnerte sich jedoch, dass die Villa der Weymanns in der Nähe lag. Archer bemerkte Mayers plötzliches Schweigen und folgte seinem Blick. Marc Weymann wechselte gerade ein paar Worte mit der Verkäuferin. Anscheinend kaufte er hier regelmäßig. Dann wandte er sich dem Ausgang zu, dabei fiel sein Blick auf den Tisch, an dem Mayer und Archer saßen. Er erstarrte, als er den BND -Agenten bemerkte, ging jedoch wortlos zum Ausgang, so dass Mayer schon glaubte, er habe ihn tatsächlich nicht wiedererkannt, doch im letzten Moment wandte Marc Weymann sich um. Mit wenigen Schritten war er an ihrem Tisch. Er nickte Marion Archer kurz zu und fragte Mayer: »Was ist mit Valerie?« Keine Begrüßung, nichts. Er war extrem angespannt, und jetzt, wo er ihnen direkt gegenüberstand, erkannte Mayer, wie müde und angegriffen Weymann aussah. Die vergangenen Wochen waren an ihm nicht spurlos vorübergegangen.
Mayer dachte an den verstümmelten Körper im Rechtsmedizinischen Institut und an die Röntgenbilder. »Ich kann Ihnen noch nichts sagen, Herr Weymann«, sagte er ruhig. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Weymann schüttelte den Kopf. »Haben Sie die Frauenleiche schon identifiziert?«
Mayer verbarg seine Überraschung. Woher wusste Weymann davon? »Wir sind dabei«, sagte er zurückhaltend. »Ich werde Sie informieren, wenn ich Genaueres weiß.«
Marc Weymann zog eine Karte aus der Innentasche seiner Jacke. »Da ist auch meine Handynummer drauf«, sagte er.
Mayer sah ihm nach, wie er durch die Tür verschwand und die Straße hinuntereilte.
»Das war also Valerie Weymanns Ehemann«, bemerkte Archer. »Sehr attraktiv.«
»Er steht nicht besonders auf Geheimdienstmitarbeiter, auch nicht, wenn sie weiblich sind.«
Archer lächelte, aber dieses Lächeln besaß eine gewisse Kälte. »Er hat Informationen, die er nicht haben sollte.«
»Wir werden herausfinden, wie er daran gekommen ist.«
»Das sollten Sie dringend tun.«
Mayer enthielt sich eines Kommentars. An diesem Morgen konnte er gut auf ein Frühstück mit Archer verzichten.
Sie plauderte munter drauflos, seine Missstimmung nicht bemerkend oder bewusst ignorierend. Es waren lediglich Kleinigkeiten, die sie noch anbrachte, Dinge, die sie auch auf dem Flur des Präsidiums hätten besprechen können, und für Mayer bestätigte sich damit der Verdacht, dass sie sich tatsächlich auf Bitten von Miller mit ihm getroffen hatte. Er konnte sich vorstellen, wie das Gespräch am Vorabend abgelaufen war. Millers nervös huschender Blick, während er Archer den Vorschlag machte. »Du hast doch einen guten Draht zu Mayer, willst du nicht mit ihm reden?«
Und Archer, immer für ein Kompliment empfänglich, hatte vermutlich gelächelt, etwas von den eigenen und sturen Deutschen gemurmelt, die man nur zu packen wissen musste, und Mayer, sobald sie auf ihrem Hotelzimmer war, eine SMS geschrieben.
Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Marion, ich hab gleich eine Besprechung. Wollen Sie mit mir fahren?«
»Danke, aber ich bin selbst mit dem Wagen da. Heute Morgen stand mir nicht der Sinn nach öffentlichem Nahverkehr.«
Er stand auf. »Dann bis später.«
Gegen halb zehn klingelte sein Handy, und am anderen Ende der Leitung erklang die Stimme des Pathologen. »Herr Mayer? Wir haben die Ergebnisse der Analyse bekommen.«
In seinem Büro waren neben Florian Wetzel noch ein paar weitere Mitarbeiter und unterhielten sich, und Mayer hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Wohlwissend, auf welchen Anruf Mayer wartete, sahen sie ihn alle gespannt an.
»Bei der Toten handelt es sich um Noor al-Almawi, wie Sie bereits vermutet hatten.«
Mayer schloss vor Erleichterung die Augen.
»Es ist al-Almawi«, sagte er,
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