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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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nicht sein. Sie würden blind in die Falle tappen. Alle.
    Er zog einen Umschlag aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Der Rumäne griff danach. Er war ein bulliger Typ, vermutlich einer von denen, die aus den Sportkadern der Partei in obskure Sicherheitsfirmen gewechselt hatten, deren Mitglieder im gesamten ehemaligen Ostblock heute die Führungselite der Mafia stellten und die Regierungen unterwanderten.
    Der Mann öffnete den Umschlag und blätterte die Scheine darin flüchtig durch. Dann legte er ihn mit einer bedauernden Geste zurück auf den Tisch. »Zu wenig«, sagte er.
    Burroughs widerstand dem Wunsch, ihm das Lächeln aus dem Gesicht zu prügeln. »Es ist genau die Summe, die wir abgesprochen haben«, sagte er gepresst.
    »Die Preise sind gestiegen. Ich habe gehört, dass sich die deutsche Botschaft in Bukarest für das Vögelchen interessiert. Die Deutschen zahlen gut. Und ich habe Auslagen. Sie ist krank. Sie braucht Medikamente. Sie muss essen. Ich will fünfundzwanzig Prozent mehr.«
    »Wir haben eine Abmachung«, erinnerte Burroughs den Mann.
    »Du bist Amerikaner«, erwiderte der Mann, und in seine Augen trat ein gefährliches Leuchten. »Du weißt, was Abmachungen wert sind. Es sind Worte. Nichts als Worte.« Er stand auf. »Sag dem Wirt Bescheid, wenn du das Geld hast.« Ohne ein weiteres Wort verließ der den Schankraum.
    Burroughs nahm das Glas, das vor ihm stand, und trank es in einem Zug leer. Der hochprozentige Schnaps ließ seine Magenwände erzittern, und Burroughs schnappte vor Schmerz nach Luft. Er nahm den Umschlag, steckte ihn zurück in die Innentasche seiner Jacke und verließ das Lokal. Draußen war es bereits dunkel. In wildem Tanz stob der Schnee um ihn herum, als er langsam die verlassene Straße hinunterging. Selbst die Krähen waren verschwunden. Nur das entfernte Kläffen eines Hundes wetteiferte mit dem Heulen des Windes. Burroughs tastete nach seiner Waffe. Der Wunsch zu töten war übermächtig in ihm.
    * * *
    Hamburg veränderte sich. Es lag eine Gereiztheit in der Luft, die mehr war als nur die Müdigkeit nach den Feiertagen. In den Geschäften war es nahezu ebenso voll wie vor Weihnachten, und an zahlreichen Straßenkreuzungen in der Innenstadt standen bereits Absperrgitter und Barrieren. Schilder wiesen schon jetzt auf weiträumige Umleitungen hin. Der Gipfel war
das
Thema, egal, ob im Supermarkt, im Fitnessstudio, bei Freunden oder am Arbeitsplatz, und die Hamburger wurden sich der Einschränkungen in ihrem Alltag, die das angebliche Jahrhunderttreffen mit sich brachte, immer deutlicher bewusst. Auch Marc war bereits mehrmals kontrolliert worden, als er in die Innenstadt gefahren war.
    Wie um die Bevölkerung bei Laune zu halten, wurde das Ereignis medien- und marketingmäßig hochstilisiert, was er als noch schlimmer empfand als die tatsächlichen Unannehmlichkeiten, mit denen er tagtäglich zu kämpfen hatte. Er wollte nichts mehr hören über die Hotels, die geräumt, und die Menüs, die gekocht werden sollten, und auch nicht über die Aufregung im Rathaus, weil der Ratssaal für die Treffen der Runde der Staatschefs bereits eine Woche vor Beginn abgeriegelt wurde. Es gab Gipfelpartys allen Ortes, und bei McDonald’s und Burger King wurde eine internationale Woche ausgerufen. Die Berichte über mögliche Rüstungseinsparungen und Klimaprojekte dominierten die Nachrichten, und die sonst so geschätzte weltweite Katastrophenberichterstattung fand, wenn überhaupt, nur noch am Rande statt. Marc wurde von dem Gedanken verfolgt, dass der Gipfel schuld daran war, dass seine Frau fort war. Unschuldig verschleppt in einem Wahn der Sicherheit. »Wenn Staatschefs sich auf diese Weise von ihrem Volk abriegeln müssen, dann läuft doch etwas schief«, hatte Janine ihm gegenüber am Vortag wütend bemerkt.
    Der Besuch von Florian Wetzel hatte ihm klargemacht, dass er nun an einem Punkt angelangt war, wo er nichts mehr für Valerie tun konnte, außer zu warten. Beinahe gegen seinen Willen war ihm Mayers Mitarbeiter auf Anhieb sympathisch gewesen. Wetzel hatte sich sofort mit den Zwillingen verstanden, die Fremden gegenüber normalerweise sehr zugeknöpft waren, und er hatte schamlos mit Janine geflirtet.
    »Ich darf Ihnen nichts erzählen«, hatte Wetzel zu Marc gesagt, »aber glauben Sie mir einfach, wenn ich Ihnen versichere, dass der Fall Weymann in unserer Behörde höchste Priorität genießt. Mein Chef setzt sich persönlich für Ihre Frau ein.« Diese Worte aus dem

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