Machtlos

„Ja, aber das hättest du schon am Montag wissen können!“
    „Was bedeutet das denn?“, fragte Victoria besorgt.
    „Ach“, meinte Narex herunterspielend, „das heißt gar nichts. Es bedeutet nur, dass die Integrität der Membranspannung etwas herabgesetzt ist. Das kann tausend Gründe haben.“
    „Und was bedeutet das, wenn die «Integrität der Membranspannung etwas herabgesetzt» ist?“, hakte Victoria nach. „Ich meine, was für Auswirkungen hat das?“
    „Das bedeutet ganz platt gesagt“, erklärte Jaromir ihr, „dass die Versiegelung des Tores ein wenig geschwächt ist.“
    Fragend blickte er Mandolan an und der bestätigte: „Ja, das stimmt, Jaromir. Die Verletzung der Membranspannung ist nur marginal. Wenn ein unerfahrener Magier den Zauber ausgeführt hätte, wäre gar nichts zu sehen gewesen.“
    Victoria schüttelte den Kopf und dachte an das, was Hoggi herausgefunden hatte. Sie sah zu ihrem Mentor hinüber.
    Der starrte regungslos auf das verblassende, blassblaue Pulsieren des Tores. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Schließlich sah er Mandolan und Narex eindringlich an. „Ihr müsst Abrexar informieren!“
    Narex nickte: „Ja Hoggi, du hast recht. Wenn wir ihn nächstes Mal sehen, geben wir ihm Bescheid.“
    „Nein!“, widersprach Hoggi laut. „Ruft ihn her. Er soll sich das angucken – jetzt!“
    Mandolan sah den alten Weißen verwundert an. „Ich bin ja auch sehr für Gründlichkeit, und sicher muss Abrexar das wissen, aber meinst du nicht, dass du jetzt übertreibst, Hoggi? Wie ich schon sagte, die Verletzung der Membranspannung ist marginal. Vielleicht ist das Phänomen in einer Woche schon wieder verschwunden.“
    „Vielleicht auch nicht“, antwortete Hoggi düster.
    Mandolan sah ihn prüfend an. Victoria spürte, dass der Schwarze ihren Mentor sehr schätzte und seine Weisheit und sein Wissen respektierte. Er sagte langsam: „Mir scheint, du weißt mehr als wir… Sicher hast du deine Gründe, dass du nicht mit uns darüber sprechen möchtest. Ich rufe den Wächter der Wächter.“
    Wenige Minuten später traf Abrexar ein. Er betrat den Keller und fragte direkt: „Was gibt es denn Dringendes? Ich habe wenig Zeit und müsste eigentlich schon seit einer halben Stunde in Kirkjubol sein.“
    „Was willst du denn in Island?“, fragte Narex neugierig.
    Abrexar winkte nur ab.
    Das Schimmern des Tores war in der Zwischenzeit erloschen und so schilderte Mandolan die Situation.
    Als er geendet hatte, nickte Abrexar. „Dann sehen wir uns das Ganze doch noch mal an.“
    Jaromir wollte gerade zurücktreten und Platz für seinen Mentor machen, doch der schüttelte den Kopf: „Nein Jaromir, bleib. Es ist wichtig, dass du das übst und ein Gefühl für diesen Zauber bekommst. Ich nehme Narex‘ Position ein.“
    Wieder konzentrierten sich die Drachen ein paar Sekunden und dann flammte die Versiegelung des Tores erneut grelllila auf. Wie schon beim ersten Mal war nach wenigen Augenblicken nur noch das blassblaue Pulsieren des dreidimensionalen Netzes zu sehen.
    Victoria hatte die Drachen genau beobachtet und seufzte. Für eine Sekunde lang hatte sie das Gefühl gehabt, den Zauber zu verstehen, aber nun war wieder alles weg.
    Abrexar blickte nachdenklich auf die Überreste des Tores, dann sah er in die Runde. „Gut. Die Membranspannung ist nicht optimal, aber das ist nichts, worüber ich mir bei dem Befund Sorgen machen würde. Wenn ihr mich dafür herruft“, er deutete auf das Netz, „dann muss es noch einen anderen Grund geben. Was ist los?“
    Mandolan, Narex und Jaromir sahen fragend zu Hoggi hinüber und Abrexar folgte ihrem Blick.
    Ganz offensichtlich wusste Hoggi nicht, wo er beginnen sollte. Er konnte schließlich nichts beweisen, sondern hatte lediglich einen Verdacht. Falls der sich allerdings erhärten sollte, wären die Konsequenzen nicht abzusehen.
    „Nun rück schon raus mit der Sprache, alter Freund“, sagt Abrexar lächelnd.
    Der alte, weiße Drache gab sich einen Ruck. „Du weißt, dass es äußerst ungewöhnlich ist, dass sich an einem Ort innerhalb von kurzer Zeit zwei Gefährtenpaare finden.“
    Abrexar nickte.
    „Das hat mich an etwas erinnert. Zur Zeit der Torkriege stieg die Zahl der Gefährten stark an.“
    „War das wirklich so?“, fragte Abrexar mit einer zweifelnd hochgezogenen Augenbraue.
    „Ich kann dafür keine Studie vorlegen, aber in meiner Erinnerung war es so und in den Aufzeichnungen von Noran finden sich entsprechende Hinweise, die das