Machtlos
Geschirr, Gläser, Besteck,…“
Jetzt, wo ihre Mutter darüber sprach, erinnerte Victoria sich, dass Maren auch so etwas gesagt hatte. Allerdings waren andere Sachen bisher dringender gewesen. Dann lachte sie: „Also, ich glaube, Jaromirs Haushalt ist da ziemlich gut ausgestattet.“
„Aber Kind, du musst dir doch etwas Eigenes aussuchen – was ist denn mit Küchengeräten?“
„Albert ist seine Küche heilig! Und ganz ehrlich, er hat alles an Geräten, was man sich nur wünschen kann.“
Giesela machte noch ein paar Vorschläge und Victoria versprach, darüber nachzudenken. Schließlich kam das Gespräch auf die Tischdeko.
Hartmut betrachtete das Ganze mit wachsendem Unbehagen. Er war sich sicher, dass Jaromir seine Tochter liebte, aber war die sich auch klar darüber, wo sie hier reinheiratete? Diese Feier nahm so langsam Ausmaße an, die einem Staatsakt ziemlich nahe kamen.
Irgendwann verließ Jaromir den Raum, um die Stoffmuster für die Servietten zu holen. Er hatte ganz bewusst ein paar Dinge im Arbeitszimmer deponiert, um einen Grund zum Rausgehen zu haben.
Als die Tür hinter Victorias Verlobten zuging, sah Hartmut seine Tochter ernst an und sagte leise: „Du musst das nicht tun, Vici.“
„Was?“, fragte sie, als wüsste sie nicht, worauf er hinaus wollte.
Hartmut deutete mit einer ausladenden Geste in den Raum. „Das alles hier ist sehr beeindruckend, gerade wenn man so jung ist, wie du. Mit Sicherheit ist es angenehm so zu leben, aber Luxus ist nicht das, was auf lange Sicht zählt. Bist du wirklich glücklich hier, Victoria? Ich habe den Eindruck, dass diese pompöse Hochzeitsfeier gar nicht nach deinem Geschmack ist. Du musst das nicht tun, Vici.“
Victoria blickte ihren Vater dankbar an. „Ich weiß, Papa. Und du hast recht – ich hätte lieber eine kleine Gartenparty.“
Sie seufzte tief.
Dann fuhr sie lächelnd fort: „Aber ich liebe Jaromir! Er ist der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen möchte. Er selbst hätte auch lieber eine kleine Feier. Aber“ – jetzt musste sie grinsen – „du hast selbst immer gesagt, dass man die Familie des anderen mitheiratet. Ich würde Jaromir auch lieben, wenn er kein Geld hätte und in einer Einzimmerwohnung leben würde. Doch seine Familie ist nun mal gut betucht und wenn es die Leute glücklich macht, dass wir ein großes Fest geben, dann werde ich diesen einen Tag auch überstehen.“
Hartmut sah sie prüfend an und nickte dann.
Jaromir kehrte mit den Stoffmustern zurück und sie besprachen die Auswahl. Dann ging es um die Blumen, Kerzen und, und, und.
Irgendwann fragte Hartmut ganz unvermittelt: „Sagt mal, welchen Namen werde ihr zwei denn nach der Hochzeit führen?“
Schweigen.
Darüber hatten Jaromir und Victoria noch gar nicht nachgedacht.
„Schließlich habt ihr heutzutage alle Möglichkeiten“, gabt ihr Vater zu bedenken.
Giesela blickte auf das edle Wappen, das die Einladungskarte zierte. Für sie stellte sich diese Frage nicht.
Jaromir sah seine Gefährtin an. Victoria hatte in den letzten Wochen und Monaten so viel aufgeben müssen und das würde sich auch in Zukunft kaum ändern lassen. Sie sollte wenigstens ihren vertrauten, menschlichen Namen behalten dürfen.
Victoria lächelte gerührt. „Aber führt das für dich nicht zu Nachteilen in der Drachengesellschaft? Ich meine, «Custos Portae» ist immerhin ein Name mit Tradition, der etwas bedeutet…“
„Daraus mache ich mir nichts“ , antwortete Jaromir. „Es darf gern jeder wissen, dass ich zu dir gehöre. … Und vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, wenn wir ein Zeichen setzen. Ich bin nicht mehr nur Torwächter, sondern ein Gefährte. Ich gehöre zu dir, Victoria Abendrot!“
Er griff zärtlich nach ihrer Hand und verkündete: „Nach unserer Hochzeit werde ich Abendrot heißen.“
Giesela war fassungslos. Sie blickte noch einmal auf die Einladungskarte und schüttelte staunend ihren Kopf. Dann sah sie ihren Mann glücklich an und suchte bewegt nach seiner Hand, um sie zu drücken. Sie hatte die innigen Blicke zwischen den jungen Leuten bemerkt. „Er liebt meine Tochter von ganzem Herzen. Was macht da schon der Altersunterschied? Sie sind glücklich miteinander und werden es gut haben… Was kann ich als Mutter mehr für Victoria wollen?“
28. Verwässerte Tinte
Am nächsten Tag übernahm Hoggi Victorias Unterricht wieder. Als Victoria das Arbeitszimmer betrat und die Menschengestalt des alten Weißen gedankenverloren am Fenster
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