Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Benden
Vom Netzwerk:
„Wir sind uns nicht sicher, wann es mehr wurden – also, ob es erst mehr Gefährten gab und dann die Dämonenangriffe oder umgekehrt.“
    „Ist das nicht egal?“, fragte Victoria.
    „Vom Prinzip her schon, denn es ändert nichts an der Sache. Aber mich würde interessieren, ob es einen kausalen Zusammenhang gibt. Ich würde gern wissen, ob es mehr Gefährten gab, weil die Dämonen uns verstärkt bedrohten oder ob die Dämonen auf uns aufmerksam wurden, weil es mehr Gefährten gab.“
    Victoria sah ihn entsetzt an.
    Hoggi hob beruhigend seine Hände: „Vielleicht gibt es da ja auch gar keinen Zusammenhang und das alles ist nur Zufall. Jedenfalls sollte das Tor sicherheitshalber noch mal vollständig examiniert werden. Wir müssen ganz sicher sein, denn falls sich jetzt dort etwas tut…“
    „Das will ich genau wissen!“ , mischte sich Jaromir mit Unbehagen ein. „Ich komme runter zu euch.“
    Eine halbe Stunde später standen Jaromir und Victoria mit Narex, Mandolan und Hoggi im Keller der mathematischen Fakultät. Lenir hatten sie auch mitnehmen wollen, da er selbst den Zauber noch nie ausgeführt hatte und das für ihn eine gute Übung gewesen wäre. Aber er wollte Kerstin nicht allein lassen und sie mitzunehmen war seiner Meinung nach auch keine gute Idee.
    Victoria schüttelte den Kopf – in den letzten Tagen hatte sie Kerstin so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen. Und so wie Lenni klang, lief es immer noch nicht besser bei ihr. Anscheinend empfand ihre Freundin die Präsenz so vieler Drachen im Haus Brookstedt als bedrohlich und war völlig blockiert. Also hatte Lenir beschlossen, dass Kerstin vorerst in ihre Wohnung zurückkehren sollte, um etwas Abstand zur Welt der Drachen zu haben.
    „Naja, vielleicht ist Lennis Idee gar nicht so schlecht und die Normalität tut ihr gut“ , dachte sie und sah zu den Schwarzen hinüber, die sich am Ende des Raumes in einem großen Dreieck aufgestellt hatten.
    Victoria machte die Auren sichtbar und erkannte, dass sich das Tor genau zwischen ihnen befand. Das narbige, zartrosa Netz war wie bei ihrem ersten Besuch kaum zu erkennen und füllte fast die ganze Breite des Raumes.
    Mandolan sprach mit Narex: „Und was für ein Problem trat am Montag bei dem Zauber auf?“
    Narex antwortete salopp: „Ach, ich kann es kaum erklären. Das Bild war irgendwie unscharf. Eigentlich sah alles gut aus, aber ich hatte den Eindruck, als könnte die Integrität der Membranspannung minimal verletzt sein.“ Er öffnete seinen Geist und zeigt Mandolan das Ergebnis des Zaubers.
    Mandolan sah Narex ärgerlich an: „Sag mal, könnte es sein, dass du vergessen hast, die Narraturinterferenzen auszublenden? Genau so sieht es nämlich aus.“
    Narex schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und blickte dann stöhnend gegen die Decke. „Oh Mann, wie peinlich! Natürlich hast du recht. Wie konnte ich das nur vergessen? Naja, ist ja aber auch schon viele Jahrzehnte her, dass wir diese Form der Examination regelmäßig an den Toren gemacht haben…“
    Jaromir sagte nichts, musste aber innerlich grinsen.
    Mandolan schüttelte missbilligend seinen Kopf und seufzte laut. Dann wandte er sich an Jaromir: „Du kennst den Zauber grundsätzlich?“
    Jaromir nickte.
    „Gut“, fuhr Mandolan fort, „schwierig ist er auch nicht gerade. Um die Narraturinterferenzen auszublenden, verschiebst du vor dem eigentlichen Examinationszauber das Gitter des Narraturnetzes um ein paar Grad. Probiere es aus, bis das Bild scharf ist.
    „Mach ich“, gab Jaromir zurück.
    „Dann geht es los jetzt“, kommandierte Mandolan.
    Die drei konzentrierten sich und wirkten gemeinsam den Zauber. Schließlich flammte das narbige Netz des Tores grelllila auf. Das helle Leuchten verglomm schnell zu einem schwachen Schimmern, das kaum von der schillernden Färbung des Aurenzaubers zu unterscheiden war.
    Victoria war fasziniert. Sie verstand nicht, was die Drachen gemacht hatten, aber sie spürte, dass das Tor noch immer darauf reagierte, auch wenn eigentlich nichts mehr zu sehen war. Sie ließ den Aurenzauber fallen. Nun war das narbige Netz, an dessen Stelle vor Jahrhunderten ein Tor durch die Nebel gewesen war, mit bloßem Auge zu erkennen. Es zog sich blassblau wie verwässerte Tinte durch den Raum und schien sanft zu pulsieren.
    Instinktiv wusste Victoria, dass das nicht gut war.
    „Mist“, murmelte Narex jetzt, „so was habe ich seit mindestens zweihundert Jahren nicht mehr gesehen.“
    Mandolan nicke.

Weitere Kostenlose Bücher