Machtlos
als sie die Versammlung der Drachen begrüßte. Danach kam sie gleich zur Sache: „Kann mir einer von euch berichten, wie die Nachtmaare in unsere Welt gelangen konnten?“
Diese Frage schien wertfrei an alle gerichtet zu sein, doch Abrexar wusste es besser. Alle Tore waren unversehrt und nur ein Roter war dazu in der Lage, einen solchen Dämon durch die Nebel zu zerren, ohne selbst von dem Biest in der Sphäre getötet zu werden. Indem Jalina die Frage an die Allgemeinheit richtete und nicht an den König der Roten, ließ sie durchblicken, dass sie von Grimmarr keine Antwort erwartete. Das war eine öffentliche Demütigung für ihn.
Grimmarr trat unbeeindruckt hervor und verbeugte sich. „Die Schuldigen sind gefunden, Jalina.“ Er drehte sich um und rief: „Schafft sie her!“
Daraufhin bildete sich eine Gasse in der Abordnung der Roten und vierzehn riesige, gut gerüstete Soldaten schleiften sieben Gefangene in die Mitte der Halle. Viele Drachen in der Versammlung fauchten die sieben an, fletschten ihre spitzen Zähne und erhoben drohend die Krallen.
„Ruhe!“ , befahl Jalina ungeduldig und sofort herrschte Totenstille. Sie blickte Grimmarr nicht an, sondern sah zu den Gefangenen hinüber. „Haben sie ihre Verbrechen gestanden?“
„Sechs von ihnen haben das“ , bestätigte Grimmarr. „Nur einer weigert sich noch immer, seinen Geist zu öffnen.“
Jalina ignorierte den roten König beharrlich und baute sich furchtlos vor den Gefangenen auf. Sie war klein im Gegensatz zu den Roten. Doch mit ihrer herrschaftlichen Anmut wirkte sie alles andere als zerbrechlich, als sie vor den Soldaten stand. Sechs der Gefangenen warfen sich demütig zu Boden.
In den Augen der goldenen Königin funkelte kalte Wut. „Wie konntet ihr es wagen, die dunkle Brut in unsere Welt zu tragen! Warum habt ihr uns das angetan? Wisst ihr nicht, in welche Gefahr ihr uns alle gebracht habt?“
Zustimmende Gedanken und Zorn hallten aus allen Ecken der großen Halle durcheinander.
Die Angeklagten schwiegen, doch dann sendete einer hilflos: „Tylarr sagt, die Tore werden sich öffnen. Er will, dass wir vorbereitet sind.“
Angst überzog die Anwesenden und ließ sie verstummen.
Hoffnungsvoll reckte der Angeklagte seinen Kopf nach oben und rief: „Ihr werdet uns noch danken, wenn es soweit ist!“
Eine der Wachen trat den Angeklagten so brutal, dass dieser bewusstlos zusammensackte. Abrexar fiel auf, dass einige der sieben noch sehr jung waren.
„Was für eine verblendete Seele“ , bemerkte Jalina fast schon mitleidig. Doch dann verdunkelte erneut Wut ihre makellosen Züge und sie trat vor den siebten, der noch immer aufrecht stand. „Öffne deinen Geist und zeig uns, was du getan hast!“ , befahl sie kühl.
Doch der Rote schüttelte seinen Kopf und blickte sie trotzig an: „Tylarr hat uns gewarnt. Ihr seid es, die verblendet seid. Ihr werdet es nie verstehen.“ Er sah in die Runde und verzog verächtlich sein Gesicht. „Keiner von euch zahnlosen Goldenen, Schwarzen, Blauen, Weißen oder gar Grünen weiß, was Kampf bedeutet. Wenn man trainiert, muss man Verletzungen hinnehmen. Tut man das nicht, stirbt man, wenn es ernst wird. Ihr alle seid so…“
Jalina hob ihre linke Klaue und der Angeklagte verstummte abrupt. Starrköpfige Wut flammte in seinen Augen auf. Abrexar erkannte, dass die Königin einen Schweigezauber auf ihn gelegt hatte.
Die Goldene lächelte den Anführer der Schwarzen hilfesuchend an. „Abrexar, wir brauchen sein Geständnis und keine weiteren Hasstiraden. Kannst du seinen Geist lesen?“
Abrexar nickte und ging zu dem Gefangenen. Er war einer der wenigen in diesem Raum, der die Gedanken des Roten auch gegen dessen Willen betrachten konnte, ohne sein Wesen dabei auszulöschen. Jalina wollte ein Exempel statuieren und das konnte sie nicht, wenn der Schuldige sabbernd und mit leeren Augen zuckend am Boden lag.
Der Rote verstärkte seinen mentalen Schutz, doch das nützte ihm wenig. Abrexar schob seine Gedankenfenster vorsichtig auf und zog die Vorhänge beiseite. Der Angeklagte bäumte sich auf vor Schmerz und Widerwillen, doch seine Bewacher hielten ihn unerbittlich fest.
Verzweifelter Hass schlug Abrexar entgegen. Er ignorierte die Gefühle des Angeklagten und suchte in dessen Geist nach Bildern von den Geschehnissen. Schließlich fand er sie und zeigte allen, was er sah:
Tylarr erteilte acht seiner Anhänger den Befehl, Nachtmaare ins Gebirge zu bringen. Tatsächlich rechtfertigte er sich
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