Machtlos
vergiften ein ganzes Volk… weil sie faul und verwöhnt sind?! Ich…! DAS IST ALLES LÜGE! Die sind so widerwärtig! Was für…was für … scheinheilige, asoziale, verlogene Heuchlerinnen! Am liebsten würde ich die alle…!“
Victorias Empörung war so groß, dass sie für ein paar Augenblicke nicht mehr auf Details achten konnte. Als sie sich wieder konzentrierte, brach die Erinnerung und damit auch die Illusion ab. Victoria konnte nur noch den Teil von Jalinas Persönlichkeit sehen, der aufrichtiges Mitgefühl mit den Grünen hatte.
Jalina lächelte traurig. „Wenige Tage nach diesem Treffen wurden zwischen Loranja und Tarin die Inhalte dieser Rettungs-Verschwörung festgelegt. Das Dokument hierfür könnt ihr selbstverständlich jederzeit einsehen. Die ursprünglich von Loranja geplante Geheimhaltungsfrist läuft noch in diesem Jahrzehnt aus…“
Die Königin suchte Sharrahs Blick und auch wenn alle anderen mithören konnten, richtete sie sich wieder nur an die Grüne: „Jetzt kennst du die Wahrheit, Sharrah. Wir Goldenen WOLLTEN euch nie belügen. Ich versichere dir, dass uns bei jeder einzelnen Teezeremonie das schlechte Gewissen plagt, doch wir mussten es tun. Wir mussten stark sein – zu eurem Schutz.
In den letzten Jahrhunderten konnten sich alle Drachenrassen erholen. Wir haben das im Krieg verloren gegangene Wissen wieder zurückgewonnen und zusätzlich viele, neue Dinge erforscht. Ich bin mir sicher, Sharrah, jetzt werdet ihr Grünen in der Lage sein, ein Heilmittel zu finden und wir werden euch dabei nach Kräften unterstützen. Sagt nur, was wir für euch tun können. Wir werden es tun.“
Sharrah starrte Jalina an. Ihr innerer Widerstand begann zu schwinden. Sie hatte die Bilder in Jalinas Geist gesehen – die Wahrheit! „Das ist der Weg, den die verehrte Loranja für uns vorgesehen hatte. Sie wusste einfach keinen anderen Ausweg…“
All die unzähligen Jahre hatte Sharrah das unbestimmte Gefühl gehabt, die Goldenen seien irgendwie unaufrichtig. Nun kannte sie den Grund dafür. Jalina hatte ihr die Augen geöffnet, als sie ihr Tarins Erinnerungen zeigte. Die Goldenen hatten sie gerettet. Wieder einmal. Sie hatten dafür lügen müssen, aber sie hatten es getan. Loranja hatte Recht gehabt. NIE hätte sie sich freiwillig für ein unfruchtbares Leben entscheiden können.
„Nein! Die Grüne glaubt Jalina!“ , dachte Victoria entsetzt. „Aber sie selbst hat doch die echte Wahrheit herausgefunden…“
Die Königin verneigte sich untertänig. „Die Lügen tun mir unendlich leid. Und noch mehr die Umstände, die dazu führten. Ich verstehe es, wenn du all das hier nicht mehr ertragen kannst und die Himmelszitadelle nach dieser Sitzung wieder verlassen möchtest. Doch, Sharrah, du bist eine unserer besten Ingenieurinnen. Seitdem weder du noch Fahimja das Heizungssystem unserer Bruthöhle instand hältst, haben wir schon mehrere Eier verloren. Bitte, Sharrah, verzeih mir meine Unaufrichtigkeit und kehre in unsere Mitte zurück.“ Bei diesen Worten streckte Jalina ihr eine Klaue als Zeichen der Entschuldigung und Versöhnung entgegen.
Victoria sah sich um. Auch all die anderen Drachen hatten nicht den geringsten Zweifel an Jalinas unfassbarer Lüge. Ein geöffneter Geist bedeutete Wahrheit. Das war eine unumstößliche Tatsache für jede Himmelsechse und wurde nicht angezweifelt.
Ein Zittern lief durch die Grüne. Sie dachte an ihre geliebte Schwester, die sie vor Monaten tot neben einem geborstenen Schott im Heizungssystem unter der Bruthöhle gefunden hatte. Damals war sie tiefbestürzt gewesen und hatte angenommen, dass Fahimja ermordet worden war. „Und wenn ihr Tod doch nur ein Unfall war? Es könnte unzählige Erklärungen dafür geben… ich war überreizt durch den Schock und habe Gespenster gesehen…“
„Tu das nicht, Sharrah!“ , dachte Victoria fassungslos bei sich. „Bitte, bitte, bitte, glaub Jalina nicht.“
Doch die Grüne erwachte aus ihrer Starre und Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie sendete: „Ich verzeihe dir, Jalina.“ Sie trat den letzten Schritt auf die Goldene zu und griff nach der Klaue der Königin. „Es tut mir leid, dass ich an euch Goldenen gezweifelt habe…“
Ein Raunen ging durch die Menge und irgendwo klatsche ein Drache seine Flügel aneinander. Wie ein Lauffeuer breitete sich Applaus und tiefes Mitgefühl für die Grünen in der ganzen Halle aus.
Jalina und Sharrah sahen einander lächelnd in die Augen. Sie würden von heute an
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