Machtlos
kann ich das – jedenfalls wenn ich wieder in Flammen stehen möchte…“ , dachte Victoria genervt, doch sie antwortete höflich: „Theoretisch müsste ich das können, doch im Moment soll ich nach Möglichkeit gar nicht zaubern, um meine Meridiane zu schonen.“
Die Königin nickte verständnisvoll. Ihr Hass schlug Victoria heiß entgegen. Die Gefährtin konnte kaum noch wegsehen. Trotzdem war Jalinas Lächeln voller Wärme und Wertschätzung, als sie fragte: „Wie ist deine Einschätzung, Victoria: Besteht die Möglichkeit, auch bei anderen Drachen als den Schwarzen die Voraussetzungen für das Distanzsenden zu schaffen? Du hast es ja schließlich auch geschafft…“
„Warum fragt sie mich das?“ , dachte Victoria gereizt. Sie konnte nicht übersehen, dass Jalina gern einige ihrer Adeptinnen dazu befähigen wollte und antwortete ausweichend: „Theoretisch müsste man bei jedem Lebewesen die Voraussetzungen hierfür schaffen können.“
Genau das hatten die grünen Heilerinnen Jalina anscheinend auch erzählt, aber dringend davon abgeraten, es auch nur zu versuchen. Doch die Königin war durchaus bereit, den Adeptinnen alles Nötige anzutun, damit sie das Distanzsenden ausüben konnten – auch wenn dabei einige von ihnen vielleicht zu Tode kommen würden.
Jalina lächelte und wollte wissen: „Was müssten wir denn dafür tun? Rein theoretisch natürlich. Wie können wir die Voraussetzungen fürs Distanzsenden schaffen?“ Diese Fähigkeit in den eigenen Reihen zu haben, war Jalina einiges wert und Adeptinnen hatte sie schließlich genug.
„Sie kapiert es nicht!“ Victoria hatte die Schnauze voll vom lebensverachteten Denken der Königin und versuchte es mit beißendem Sarkasmus: „Ach, da brauchst du nicht viel: Ein paar Nachtmaare, unterdrücktes Schmerzempfinden und die sichere Aussicht auf den Tod reichen eigentlich schon.“
Das saß. Betroffenes Schweigen.
Jalinas Augen weiteten sich empört.
Schnell trat Abrexar einen Schritt vor. „Entschuldige bitte, Jalina. Victoria ist noch immer traumatisiert und reagiert manchmal über, wenn sie an die Umstände des Unfalls erinnert wird.“
„Das tue ich nicht!“ , dachte Victoria dickköpfig bei sich. „Diese wahnsinnige Königin will an ihren eigenen Leuten rumexperimentieren und riskiert bereitwillig deren Tod. Irgendwer muss sie doch aufhalten.“
„Aber nicht du – jedenfalls nicht heute“ , widersprach Jaromir entschieden. In diesem Moment war er verdammt froh, dass seine Gefährtin sich zuverlässig abschirmen konnte und ihre Gedankenvorhänge konsequent zugezogen hielt.
Jalinas Gesichtszüge hatten sich wieder entspannt und sie nickte verständnisvoll. Auch wenn der größere Teil ihres Geistes Victorias Verhalten mehr als anmaßend erschien, konzentrierte die Goldene sich auf den kleinen Teil, der Victorias aufgebrachten Gemütszustand ganz normal fand. „Dann ist es an mir, mich zu entschuldigen. Es tut mir leid, Victoria. Ich hätte nicht so unsensibel sein dürfen.“ Mit einem würdevollen Nicken entließ sie die Gefährten aus der Befragung.
Victoria konnte nicht übersehen, wie unzufrieden die Königin mit ihrer Antwort war. Aber Jalina war sich sicher, dass sie die nötigen Antworten von Victoria erhalten würde und das wahrscheinlich schon sehr bald.
Jaromir kehrte in seine eigenen Reihen zurück.
Victoria rutschte unruhig auf seinem Rücken hin und her. Sie war aufgebracht. „Wir kennen die Wahrheit, Jaro! Wollen wir wirklich weiterhin nur zusehen? Wir können Sharrah und die Adeptinnen doch nicht länger der Königin aussetzen. Es wird Tote geben, wenn wir nichts tun.“
„Ich weiß“ , antwortete Jaromir ruhig. „Aber wie gesagt: Wir haben keine Beweise… Ich habe alles auf der geheimen Frequenz an Abrexar weitergeleitet. Er wird einschreiten, wenn er eine Möglichkeit dazu sieht.“
Abrexar sah Victoria ihre Unruhe offenbar an und wandte sich direkt an die Gefährten: „Bleibt ruhig, ihr zwei! Jalinas Lügen sind so mächtig und fest miteinander verwoben, dass jeder in dieser Halle die Wahrheit anzweifeln wird. Selbst wenn Victoria ihren Geist öffnen würde, stände es immer noch Aussage gegen Aussage und wir Drachen sind es gewohnt, der goldenen Königin zu glauben. Nein, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. Heute sammeln wir nur Informationen und beraten dann später in aller Ruhe darüber, wie wir weiter vorgehen.“
Victoria stimmte widerwillig zu, aber es gefiel ihr ganz und gar nicht.
Jalina
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