Machtrausch
Glock fuhr fort:
»Ich wusste definitiv, dass Röckl nicht Selbstmord begangen hatte, weil ich mit ihm nämlich am selben Tag zum Mittagessen verabredet war. Er wollte mir unbedingt etwas Wichtiges mitteilen und dafür um jeden Preis sein Büro verlassen, weil er glaubte, abgehört zu werden .«
»Und wurde er ?«
»Nein, man musste ihn gar nicht abhören, da man eine lebende Wanze, Frau Nockele, in seinem Vorzimmer sitzen hatte. Die Dame hat eine verhängnisvolle Leidenschaft: Sie ist spielsüchtig und bis über beide Ohren verschuldet. Da reicht ein Sekretärinnengehalt nicht ganz aus. Ihre Aussage ist übrigens ebenfalls hier in der Ledermappe !« Voller Respekt sah ihn Nagelschneider an und legte noch einen kleinen Scheit, nicht seine Hand, in das lodernde Feuer.
»Tja, kommen wir zu mir. Unmittelbar, nachdem Sie mir den Job angeboten hatten und mich baten, über das Wochenende eine Entscheidung zu treffen, schnitt man einer Bekannten meiner Frau den Finger ab und drohte mir anonym mit weiteren Sanktionen, sollte ich den Job nicht annehmen. Das verstand ich anfangs nicht, schließlich war ohnehin allgemein bekannt, dass ich den Job um jeden Preis wollte. Es konnte nur eines bedeuten: Man wollte keineswegs, dass ausgerechnet Dr. Anton Glock diesen Job bekam, sondern irgendjemand, den man als Marionette lenken und steuern konnte. Man machte mir mit der Drohung also klar, jederzeit meiner Familie und meinen Freunden Leid zufügen zu können, wenn ich spätere Anweisungen missachten würde. Und die wären gekommen, sobald ich das Amt angetreten hätte .«
»Ja, aber warum hat man Sie dann aus der Position so schnell wieder entfernt ?«
»Weil man durch Frau Nockele erfahren hat, dass ich die Drohung leider nicht so ernst nahm wie erwartet, sondern stattdessen anfing, unangenehme Fragen zu stellen. Zum Beispiel nach dem Verbleib gewisser Akten.« Draußen wurde es langsam dunkel und im schwachen Feuerschein konnte Glock die Gesichtszüge von Nagelschneider kaum mehr sehen. Dieser machte keine Anstalten irgendein Licht einzuschalten.
»Was passiert jetzt? Was haben Sie vor ?« Nun kam der wichtigste Teil.
»Ich habe gar nichts mehr vor – jetzt kommen Sie ins Spiel, Herr Nagelschneider …«
»Wie soll ich das verstehen ?« War da Sorge in seiner Stimme zu hören, sich aus dem gemütlichen Sessel am Feuer erheben und selbst in die gefährliche Schlacht stürmen zu müssen?
»Alles, was wir haben, sind Indizien, Aussagen, Vermutungen, schlüssige Hypothesen und ein paar kleine Beweise. Vor Gericht hätte das Material kaum Bestand. Muss es auch gar nicht. Denn: Die Bombe, die hier in dieser Aktentasche ist, wird vollkommen ausreichen, den Pakt in die Luft zu jagen. Die Bombe muss jedoch gezielt unter dem richtigen Stuhl zu liegen kommen. Wenn wir die Bombe einfach nur so in die Menge werfen, werden Dinge mit in die Luft fliegen und an die Öffentlichkeit gelangen, die wir dort lieber nicht sähen …«
»Im Klartext: Wenn Sie mit dem gesamten Material an Polizei und Öffentlichkeit gehen, wird bekannt werden, dass ein Unternehmen wie die Schuegraf AG einfach so unterwandert werden kann. Und es wird sehr schwer werden, die Existenz unseres Schmuckstücks, der AfU, geheim zu halten .«
»So sehe ich das auch. Abgesehen davon, dass es Jahre dauern kann, bis irgendwer jemals verurteilt werden wird, und bis dahin wird man immer und immer wieder den Namen Schuegraf in der Zeitung lesen. In einer Art und Weise, die nicht in Ihrem Interesse liegen kann …«
»Was also schlagen Sie vor? Wir müssen diese Leute doch zur Verantwortung ziehen !«
»Nun, das wird etwas schwierig werden. Lassen Sie uns an die Zukunft denken! Erstens müssen wir mit dem Pakt aufräumen und all die Parasiten aus der Schuegraf AG rauswerfen. Aber still und leise, ohne großes Tamtam. Und zweitens müssen wir die günstige Gelegenheit nutzen, die Unternehmensleitung etwas zu, hmmmm, bereinigen , wenn Sie verstehen, was ich meine .« Nagelschneider saß hellwach und aufrecht in seinem Sessel.
»Sie meinen …«
»Genau, ich meine, die Firma hat jetzt genug mit den englischen Ideen herumexperimentiert. Und wozu braucht Schuegraf drei Vorstände? Man ist jahrzehntelang mit zweien ganz gut gefahren, oder? !«
»Brillant. Schach und matt! Wir müssen demnächst dringend einmal eine Partie Schach miteinander spielen. Ich rechne mir allerdings keine allzu großen Chancen aus, wenn ich ehrlich bin .«
»Was unternehmen Sie jetzt also ?« Jetzt
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