Machtrausch
ihn rasch ruhig, in dem man ihn mit seiner Homosexualität erpresste. Der sonst so korrekte Röckl hatte, wie er Ihnen ja später selbst gestanden hat, seine sexuelle Neigung stets nur im Geheimen ausgelebt und auch seine eigene Familie nie eingeweiht. Das wurde ihm nun zum Verhängnis, da man ihn in der Hand hatte und mit diesem Doppelleben gezielt zum Schweigen brachte. Dann wurde ihm der Druck irgendwann zu groß, und er ging zu Ihnen. Dabei beging er einen verhängnisvollen und tödlichen Denkfehler: Anstatt Ihnen alles zu erzählen, beichtete er zunächst nur seine Homosexualität, und dass er damit von jemandem im Unternehmen erpresst wurde. Kein Wort zu Ihnen über die vermutete Informationsweitergabe an die BTP im Vorfeld der Firmenübernahme. Sie schlossen aus seiner Beichte, es müsse sich dabei um die Engländer oder jedenfalls die Klicke um den Vorstandschef von Weizenbeck handeln. Beides falsch, aber Sie ahnten ja nichts vom Pakt. Um Röckl schnell aus der Schusslinie zu bringen, zwangen Sie ihn in die vorzeitige Pensionierung und heuerten mich als Nachfolger an. Vorher testeten Sie auf etwas eigenartige Weise meine Integrität, in dem Sie mich mit dem Rauswurf meines engen Kollegen Alois Rauch beauftragten. Reden wir nicht darüber …« Glock schwenkte sein leeres Glas, um Whisky-Nachschub zu bekommen. Er ertrug diese Geschichte nur im Zustand des Angetrunkenseins. Der in sich zusammengesunkene Nagelschneider sagte keinen Ton. Glock fragte sich allmählich, ob der etwas angejahrte CFO im letzten Part seines Plans wirklich die Rolle spielen konnte, die er ihm zugedacht hatte.
»Die Leute vom Pakt haben überall im Unternehmen ihre Augen und Ohren. Längst bediente man sich auch anderer Mitarbeiter, die gar keine Pakt-Mitglieder waren, und machte sie sich mit Geld, Karriereversprechungen oder eben auch Erpressung gefügig. So erfuhr man auch sofort von Röckls Gespräch mit Ihnen, und dass er zunächst nur über seine Homosexualität gesprochen hatte. Jetzt musste man sofort handeln, bevor Röckl am Ende noch mehr ausplauderte !« Der Finanzvorstand stocherte lustlos im Feuer herum.
»Man warf Röckl kurzerhand aus dem Fenster und stellte die Sache als Selbstmord dar. Die von Ihnen eingeleitete, vorzeitige Pensionierung kam da als Motiv ganz gelegen .«
»Woher zum Teufel wussten die, was Röckl mit mir besprochen hat ?«
»Gehen Sie getrost davon aus, dass man Ihr Büro abhört .«
»Was? Mitten in der Firma? Ein Vorstandsbüro? Wer außer der IA sollte so was zuwege bringen? Für den alten Fittkau lege ich die Hand ins Feuer !«
»Lassen Sie mal, wir haben ja noch genug Buchenscheite … Fittkau hat, wie vorhin angedeutet, bei der Aufklärung sofort kooperiert. Nein, Sie haben absolut Recht, die IA hatte nichts damit zu tun – derartige Dinge wurden aus der AE, der Aktiven Eingreiftruppe, heraus durchgeführt .«
»Schachter-Radig? Blödsinn.«
»Nein, aber Dr. Herb, sein Stellvertreter und Vorgänger ist ein Pakt-Mitglied. Röckl war der Mann wohl von Anfang an nicht geheuer, und so hat er ihm Schachter-Radig vor die Nase gesetzt. Herb jedenfalls hat alle groben Aktionen des Paktes organisiert und durchgeführt. Abhörmaßnahmen, den Mord an Beckendorf und auch jenen an Röckl. Zumindest in Bezug auf den Tauchunfall habe ich das schriftlich. Die Sache war dem Pakt so wichtig, dass Herb den Mörder selbst instruiert hat. Der Täter, also der maledivische Tauchguide, hat Herb eindeutig auf dem Foto aus dem Firmen-Intranet identifiziert und im Gästebuch der Malediven-Insel habe ich seinen Namen auch gefunden, keine vier Tage vor dem Urlaubsbeginn von Beckendorf!«
»Oh Gott, oh Gott! Herb also! Wie viele Mitglieder hat dieser unselige Verein denn ?«
»Meiner Kenntnis nach fünf, zumindest habe ich fünf von ihnen bisher enttarnen können«, log Dr. Anton Glock sein Gegenüber ohne schlechtes Gewissen an.
»Neben Kroupa, dem Anführer und heutigen Vertriebsvorstand, wären da noch: Dr. Herb, der Mann für die groben Aktionen – der als Stellvertreter von Schachter-Radig übrigens äußerst geschickt positioniert war! –, und dann unsere Controlling-Chefin, Dagmar Cerveny, die freien Zugang zu allen, aber auch wirklich allen Zahlen hatte. Tja, nicht zu vergessen der Marketingchef Lachotta sowie die charmante Louise Frühwein, Ihre Leiterin der EA …« Nagelschneider war kreidebleich geworden und rang sichtlich um Fassung. Dies beschädigte stark sein in die Jahre gekommenes Weltbild.
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