Machtrausch
und Weißwein, verschiedene Säfte, Mineralwasser und Sandwiches. Alle kennen diese immer und überall gleiche kulinarische Versuchsanordnung aus ungezählten Besprechungen, die jeder von ihnen täglich zu absolvieren gezwungen ist. Sie haben sich mit Getränken, überwiegend Wasser, versorgt und sehen zu dem großen Blonden hin, der traditionsgemäß durch ihre jährlichen Zusammenkünfte führt.
›Willkommen zu unserem vierundzwanzigsten Treffen, diesmal hier am vertrauten Münchner Airport! Da uns die Ereignisse der letzten Wochen teilweise bereits zu bilateralen Abstimmungen und Aktionen gezwungen haben, schlage ich ein kurzes Update der gesamten Gruppe vor. Jeder von uns sollte kurz in fünf Minuten einen Überblick zu den letzten Vorkommnissen aus seiner Perspektive geben, damit wir hinterher auf Basis eines gemeinsamen Standes das weitere Vorgehen beschließen können.‹ Daraufhin synchronisieren sich die sechs Teilnehmer reihum im Uhrzeigersinn, was eine gute halbe Stunde in Anspruch nimmt. Den Gesichtsausdrücken zu entnehmen, wird einigen das gesamte Ausmaß der aktuellen Situation erst jetzt klar. Schließlich zückt die Jüngste in der Runde, die schlanke, dunkelhaarige Frau, einen Umschlag mit Fotos und hält ihn hoch:
›Ihr erinnert euch an die Besiegelung unseres Paktes vor mehr als zwei Jahrzehnten ?‹ Alle nicken und sind sich der Existenz der sehr eindeutigen Bilder, von denen jeder in der Gruppe einen eigenen Satz hat, stets sehr bewusst gewesen. Sie sind die Lebensversicherung des Paktes und damit von ihnen allen gewesen.
›Dies‹, fährt die Dunkelhaarige fort, ›sind zwar höchst intime Fotos unserer Gruppe, deren Publikmachung die Karriere, die Ehe und den Ruf eines jeden von uns sofort stark schädigen, wenn nicht sogar zerstören würde. Heute jedoch müssen wir Entscheidungen treffen und gemeinsam verantworten, die seinerzeit in ihrer Tragweite noch nicht im Entferntesten absehbar waren. Einzelne von uns – auch ich! – mussten in den letzten Wochen hohe Risiken im Interesse der ganzen Gruppe auf sich nehmen, um das Team zu schützen! Ich fände es nur fair, wenn dieses Risiko jetzt auf alle Schultern verteilt würde. Wir profitieren schließlich gemeinsam, und bisher hat der Pakt uns allen mehr geholfen, als wir je gedacht hätten! Wir müssen den Pakt jetzt erneuern, vertiefen, noch enger zusammenschweißen! Diese Fotos sind reizend, ja süß, und ich sehe sie mir immer wieder gerne an …‹, sie lächelt süffisant und spricht dann den entscheidenden Satz:
›Der Ernsthaftigkeit und Tragweite, die unser Pakt mittlerweile erreicht hat, werden sie, als Mittel des Zusammenhaltes, heute jedoch nicht mehr gerecht! Darüber sind wir längst hinaus …‹ Die Notwendigkeit eines wirkungsvolleren Zusammenschweißens des Paktes ist ihnen allen bewusst. Das Risiko des Ausscherens eines Mitglieds würde sonst unkalkulierbar für sie alle.
›Und was ist dein Vorschlag? Ziehen wir uns jetzt alle aus und stellen mit unseren Bierbäuchen und Hänge-
brüsten die alten Szenen nach ?‹ Alles lacht.
›Nein danke, dafür seid ihr mir alle zu alt geworden – ich suche mir lieber frischere Männer‹, versetzt die Dunkelhaarige grinsend. ›Mein Vorschlag geht mehr in die Richtung, die notwendigen Konsequenzen aus unseren laufenden Bedrohungen zu ziehen und das ganze gleichzeitig zur Festigung des Paktes zu verwenden !‹
›Sehr nebulös. Worauf willst du wirklich hinaus?!‹
›Brutal und für euch im Klartext: Wir beschließen heute den – ohnehin dringend notwendigen – Auftragsmord an der Person, die derzeit das größte Risiko für unsere Pläne darstellt. Und diesen Auftrag gestalten wir so, dass jeder von uns, im Ernstfall beweis- und nachvollziehbar, seine Finger mit drin hat.‹ Sie blickt in die nur maßvoll überraschte Runde.
›Das ist ganz einfach: Ich lege ein jungfräulich frisches und natürlich anonymes Nummernkonto bei einer Offshore-Bank an. Von diesem Konto aus wird dann die Entlohnung an den Auftragsmörder per Verrechnungsscheck bezahlt. Eine bewusst krumme Zahl, beispielsweise 36.666 Euro, das reicht locker aus für die Eliminierung einer Person. Diese Dienstleistung ist heute an jeder Straßenecke erhältlich. Jeder von uns überweist auf dieses Konto exakt ein Sechstel, also 6.111 Euro. Und jedes Mitglied des Paktes erhält eine Kopie aller Kontoauszüge, aus denen die Überweisung von euren Privatkonten klar hervorgeht – ihr könnt sie euch also neben
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