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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer C. Koppitz
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fuhr Barbara mit der Straßenbahn, die sie Tram nannte, von ihrem Laden heim. Heute rief Anton sie von unterwegs kurz an und holte sie mit dem Auto ab. Seine Frau barst vor Energie, als sie in den Wagen stieg und ihn zur Begrüßung küsste. Sofort sprudelte sie los und ihr Mann war froh über die euphorischen Schilderungen aus einer anderen Welt:
    »Anton, Anton, aus meiner kleinen Muckelbude wird noch richtig was. Ich werde es all den Tengelmännern, Aldis und Lidls noch zeigen. Du wirst sehen, in einem Jahr wird der abscheuliche Tengelmann in meiner Straße zumachen müssen, und der ekelhafte Filialleiter wird bei mir über die Türschwelle gekrochen kommen und um einen Job an meiner Kasse betteln !« Sie lachte aufgekratzt und Anton stimmte ein. So liebte er seine Barbara. Von Realitäten hatte sich seine Frau noch nie beeindrucken lassen. Beispielsweise von der Tatsache, vermeinte er sich an einen Radiobeitrag zu erinnern, dass der Anteil der Bio-Lebensmittel in Deutschland über mickrige zwei Prozent des Gesamtlebensmittelmarktes seit Jahren nicht hinauskam. Oder dass der Einkommensanteil, den die Deutschen für Lebensmittel ausgaben, seit fünfzig Jahren kontinuierlich sank. Man fraß lieber billig erzeugte Massenware und gab das Geld für die neueste Digitalkamera oder eine weitere Reise in die Karibik aus. Barbara berichtete von der erfolgreichen ersten Lieferung an Giovanni Vettori und seine Architekten. Sie war, schließlich war es die Premiere gewesen, gemeinsam mit Volker dort erschienen und freute sich über die Begeisterung, die ihre erste Lieferung bei den Architekten ausgelöst hatte. Einige der Architekten hatten sie gleich mit ein paar kleineren, privaten Aufträgen für Freitag beglückt. Natursauerbrot oder Obst für das Wochenende. Sie strahlte, und er wusste gar nicht mehr, wie er von ihr verlangen sollte, sich ein paar Tage aus der Schusslinie zu bewegen. Nur weil er, ihr Ehemann, in der Schuegraf AG in einem giftigen Schlangennest herumstocherte. Seine Frau erinnerte sich jetzt daran, was für schwere Zeiten er gerade durchlebte:
    »Und bei dir? Bist du weitergekommen ?« Glock seufzte.
    »Ja und nein. Einerseits kommen täglich neue Mosaiksteinchen dazu, von denen einige aber leider die falsche Farbe haben. Andererseits wird die Sache langsam brenzlig …« Er überholte unnötigerweise einen in der Stadt nur sechzig fahrenden Mercedes und fuhr fort:
    »Ich hatte heute nach der Beerdigung ein langes Gespräch mit Nagelschneider. Der Mann scheint sich im offenen Krieg mit unseren neuen Eignern in England und mit unserem Vorstandschef, von Weizenbeck, zu befinden. Er bat mich sehr deutlich um Hilfe .« Nun überholte er einen Bus. Barbara kommentierte ausnahmsweise seine aggressive Fahrweise nicht.
    »Da geht es doch nur um persönliche Eitelkeiten, Macht und Geld. Halt dich da bitte raus, Anton !«
    »Zu spät. Erstens bin ich kein kleiner Buchhalter, der dem Treiben der großen Tiere aus seinem Kontor staunend aber unbeteiligt zusehen kann. Falls du dich erinnerst: Ich bin der Strategiechef und verantworte zusätzlich die ominöse AfU. Nein, ich fürchte, ich muss mich für eine der Seiten entscheiden. Und zweitens, liebe Babs, sind einige Dinge geschehen, für die die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden müssen. Von diesen Verbrechen zu wissen und nichts zu tun, wäre seinerseits ein Verbrechen, begreifst du? !« Seine Frau lachte kurz. Es klang gar nicht lustig.
    »Oh, mein Anton entwickelt Gerechtigkeitssinn ! «
    »Blödsinn! Ich habe bloß keine Lust, in einer Firma an verantwortlicher Stelle zu arbeiten, in der solche Dinge möglich sind. Auch ich könnte der Nächste sein, und so unwahrscheinlich ist das keineswegs …«
    »Dann geh, verdammt noch mal, endlich zur Polizei !« Dies zeigte, für wie ernst nun auch Barbara die Situation hielt, denn zur verhassten Polizei ging man in ihren Kreisen nur im absoluten Notfall. Ihr erregter Ausruf wurde passend vom wütenden Hupen eines Fahrers untermalt, den Glock gerade versehentlich geschnitten hatte.
    »Barbara! Ich habe überhaupt nichts in der Hand. Keinen Beweis, nur Vermutungen, indirekte Aussagen, wahrscheinliche Zusammenhänge. Selbst wenn ich die Polizei überzeugen könnte, erreiche ich nur eines: Diejenigen in der Firma, die Dreck am Stecken haben, werden gewarnt und haben alle Zeit der Welt, die Spuren noch besser zu verwischen. Ich habe nur eine einzige Chance: Irgendwie ein schwaches Glied identifizieren, denjenigen

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