MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Nicht viel älter der junge Alasdair. Ich streifte zu den anderen Ereignissen. Was hatte Tante Henriettas unglückliche Liebe zu Arthur damit zu tun? War es Zufall, dass Arthur hier lebte, war es Zufall, dass er auf Henriettas Namen gestoßen war? Ein Zufall, der sie nach einer so langen Zeit wieder zusammengeführt hatte? Auch Tante Henrietta stand in irgendeiner Verbindung zu dem Mädchen Margaret, sie besaß sogar die Silberdistel, die diese einst von ihrer Mutter Flora MacAlpin erhalten hatte. Und woher stammte Arthur? Er war ein Schotte, sein Stamm seit Generationen im Hochland ansässig.
Ich saß und grübelte. Ich bemerkte nicht, wie das Licht sich eintrübte. Erst als der kalte Hauch des Nebels mich berührte, tauchte ich aus meinen Gedanken auf.
Wie eine weiße Wand hatte sich die Wolke auf die Lichtung gesenkt, die Bäume verschwammen darin zu schattenhaften Konturen. Mich fröstelte, doch konnte ich mich nicht überwinden, aufzustehen und fortzugehen. Darum schlang ich die Arme fest um mich und starrte in die weißen Schleier.
Wie eigenartig sie wogten. Wie sie zu wirbeln begannen. Sie wirbelten um einen der Steine gleich rechts von mir. Wirbelten und formten sich, wurden dichter und lösten sich von dem Stein. Ein kleines Mädchen trat aus den Schleiern. In einem weißen Kleidchen tanzte es, hüpfte es, lief es von Stein zu Stein, und ihre roten Haare flatterten wie eine Lohe um ihren Kopf. Dort, wo sie den Boden mit ihren bloßen Füßen berührte, sprossen Veilchen aus dem Gras. In meiner Nähe verweilte sie für einen Augenblick, und ich sah ihr Gesicht. Es war eigenartig, die noch unfertigen Züge schienen mir fremd und doch bekannt.
Dann verschwand sie, und die Nebel beruhigten sich wieder. Ich war gefesselt von der Erscheinung. War es eine Elfe? Gab es sie wirklich?
Wieder begannen die Nebel zu wirbeln, breiteten sich in Wellen aus, und ein älteres Mädchen trat hinter dem nächsten Stein hervor. Wie das erste in Weiß gewandet, doch goldblond und bekränzt mit Frühlingsblumen. Ich erkannte in ihr Margaret, wie sie mir im Traum erschienen war. Margaret, die ich am Grab gesehen hatte, ein Mädchen an der Schwelle zur Frau, einen Kranz von Weißdorn auf den Locken, mit roten Bändern gebunden. Sie huschte zwischen den Steinen hindurch, und als sie an mir vorbeikam, lag ein sehnsüchtiger Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie wirkte durchscheinend, ätherisch, und sie umrundete den Steinkreis mit seltsamer Grazie, bevor sie lautlos davontanzte.
Ich spürte keine Kälte mehr, ich spürte keine Angst, ich spürte auch die Feuchtigkeit nicht, die meine Haare, meine Kleider tränkte.
Sodann löste sich eine junge Frau aus den Nebeln, rothaarig und zierlich. Rosen schmückten ihr Kleid, Rosen trug sie in den Händen. Weiße und rote Rosen. Sie begann einen fröhlichen Reigen, doch als sie an mir vorbeikam, senkte sie traurig die Augen und bewegte sich mit ängstlichen Schritten. Dann hob sie ihren Kopf, und ich sah - in mein Gesicht.
Für eine Ewigkeit blieb ich atemlos, schien es mir. Doch Zeit und Raum hatten in dieser unwirklichen Welt jeden Sinn verloren, und so erlebte ich dann, wie eine weitere Gestalt sich näherte, Kornähren in der Hand und lachend durch den Steinkreis laufend. Ich konnte nicht anders, ich lachte zurück. Und die Tränen rannen aus meinen Augen, denn es war meine Mutter, so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Aber auch sie verschwand, und eine würdevollere, etwas ältere Frau mit langen, glatten schwarzen Haaren, in einem dunklen Gewand, trat aus den Nebeln hervor. Sie umrundete würdevoll die Lichtung und blieb in meiner Nähe stehen. An ihrem Arm trug sie einen Korb mit roten Äpfeln, und an ihrer Schulter schimmerte die Silberdistel. Flora, Margarets Mutter, lächelte mir zu und verschmolz mit dem Dämmer.
Ich zwinkerte. Die graue Frau mit den grauen Haaren schwebte fern von mir zwischen den Bäumen. Mochte mich der Nebel narren oder meine Augen. Aber für mich war es eine wunderbar anmutige Tante Henrietta. Sie kam nicht herbei, sondern löste sich in den wogenden Schwaden auf. Ihr folgte eine weitere vertraute Gestalt, alt schon, umweht von fallendem Herbstlaub, wandelte sie zwischen den Steinen. Auch sie näherte sich mir, ich spürte ihren Blick auf mir ruhen und wusste, dass meine Großmutter zu mir gekommen war.
Die Nebel schlossen sich um sie, und mir schien es, als ob eine noch größere Stille sich über die Lichtung senkte. Dann riss der Schleier entzwei, und
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