Madam Wilkin's Palazzo
günstige Gelegenheit,
ein paar Dollars zu sparen — immerhin war er ja ein Kelling und sagte
schließlich zu.
»Ich hoffe, daß war in Ihrem Sinne«,
erkundigte sie sich bei Bittersohn, als sie die Gruppe verließen und sich auf
den Weg in den ersten Stock machten, wo Nick Fieringer möglicherweise immer
noch auf sie wartete.
»Sie waren großartig«, sagte er etwas
geistesabwesend und starrte dabei auf den Kopf eines verdrießlich blickenden
Herakles.
»Woran denken Sie?« versuchte sie
herauszufinden.
»Ich denke gerade an die Worte, die
Diamond Jim Brady zum Floradora Girl sagt: ›Hinter dieser Büste steckt Betrug.‹
Woher wissen Sie, daß der Romney eine Fälschung ist?«
»Weil meine Tante Emma draußen in Longmeadow
das Originalporträt besitzt. Es stellt eine unserer Vorfahrinnen dar, und
angeblich soll ich ihr ähneln, obwohl ich das selbst nicht ganz so sehe.«
»Wußte Madam Wilkins, daß Ihrer Familie
das Original gehört?«
»Das wage ich zu bezweifeln. Sie haben
sich nicht besonders gut verstanden, vor allem nicht nach der Katastrophe bei
der Eröffnungsfeier. Wenn darüber überhaupt ein Wort verloren wurde, dann hat
sie bestimmt behauptet, sie hätte das Original, und wir hätten die Kopie, was
unmöglich ist, es sei denn, Romney hätte zwei identische Bilder gemalt. Und ich
bin überzeugt davon, daß er das nicht getan hat. Darüber hätte Tante Emma
bestimmt Bescheid gewußt. Ich könnte Sie ja mal mitnehmen, damit Sie sich das
Bild zum Vergleich ansehen können, wenn Sie mögen.«
Um Bittersohns Mund zuckte es, und
Sarah wußte genau, warum. Wenn Cousin Brooks schon befürchtete, man könnte ihm
romantische Absichten unterstellen, wenn er mit einer Dame ein Stückchen mit
der U-Bahn fahren mußte und ein Abendessen mit kaltem Roastbeef und
Tapioka-Pudding in einer gemischten Gesellschaft verbringen sollte, was würde
dann Tante Emma davon halten, wenn Sarah den ganzen weiten Weg nach Longmeadow
zu zweit zurücklegte, und das auch noch mit einem auffallend attraktiven Mann
im besten Alter und mit einem beachtlichen Monatseinkommen?
»Ich würde mir das Original gern
gelegentlich einmal ansehen«, sagte er, »doch ich glaube es Ihnen auch so.
Soviel ich gesehen habe, ist fast alles hier in diesem Haus gefälscht. Entweder
war Madam Wilkins die gutgläubigste Käuferin aller Zeiten, oder aber hier liegt
irgendwo ein dicker Hund begraben.«
»Der wahrscheinlich ebenfalls eine
Fälschung ist, vermute ich. Haben Sie mich deshalb gebeten, Cousin Brooks
einzuladen? Sie glauben doch nicht etwa, daß er mit irgendwelchen
Kunstfälschungen etwas zu tun hat? Haben Sie ihn wirklich damals wegen Onkel
Thaddeus’ Corots verdächtigt?«
»Die Antworten auf Ihre Fragen lauten
nein, nein und nochmals nein, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ihr Cousin
ist zwar in manchen Punkten ein bißchen exzentrisch, wenn Sie mir die Bemerkung
nicht übelnehmen — «
»Warum sollte ich das? Schließlich ist
er ja ein Kelling.«
»Allerdings läßt er sich, wie ich
gerade weiter bemerken wollte, nichts vormachen, dazu hat er Humor und ist, soweit
ich weiß, so ehrlich, daß es schon peinlich ist. Ich möchte einfach gern mit
ihm reden. Für das Essen für ihn und seine Freundin werde ich mich natürlich
bei Ihnen noch revanchieren, indem ich Sie zum Essen einlade.«
»Das werden Sie nicht! Sich revanchieren,
meine ich. Es sei denn, man gibt Ihnen einen Gutschein fürs Ritz.« Sarah zeigte
ein Grübchen, das in ihrem ein klein wenig eckigen, klaren, aber blassen
Gesicht überraschte, und Bittersohn lachte.
»Aha!« Eine tiefe Stimme, die so ölig
wie Rindertalg klang, ertönte hinter ihnen. »Hier finde ich dich also,
Bittersohn! Knutschend unter den Liebesengeln mit einer hübschen Dame! Dabei
solltest du eigentlich im Tintoretto-Saal sein und meinem talentierten kleinen
Schützling schonend beibringen, daß sie vielleicht besser daran tut, erst die
Tonleiter richtig zu lernen, bevor sie anfängt, von Carnegie Hall zu träumen.«
»Hallo, Nick. Mrs. Kelling und ich
wollten dich gerade suchen.«
»Was ich dir natürlich glaube«, sagte
der beleibte Impresario schelmisch. »Vielleicht könnt Ihr mir erklären, was all
die Bullen im Hof zu suchen haben? Bei meinem kleinen Wunderkind mögen zwar die
Kadenzen wie Keuchhustenanfälle klingen, aber deshalb muß man sie ja nicht
gerade wegen Ruhestörung festnehmen, oder?«
»Nick, das Mädchen war gut. Sie braucht
nur etwas mehr Übung. Sag mal, wie genau
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