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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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allerdings bloß anschauen, wovon man wohl kaum etwas
hat. Aber was soll’s. In seinem Alter konnte er wahrscheinlich eh nichts
anderes mehr als schauen, und dafür wurde er auch noch bezahlt. Joe war ein
glücklicher Mensch!«
    »Du bist ja ein richtiger Philosoph,
Nick. Siehst du den Wächter da unten an der Säule im Hof?«
    »Den nennen die anderen Sonny. Was ist
denn mit ihm?«
    »Er behauptet, Witherspoon habe sich in
der letzten Zeit bei ihm darüber beklagt, daß Lucretia sich verändert habe.«
    »Maxie, wie kann sich denn ein Gemälde
verändern? Joe brauchte bestimmt nur eine neue Brille. Vielleicht hatte er ein
Glaukom oder den grauen Star, vielleicht aber auch bloß im Alter eine weiche
Birne. Vielleicht war er einfach reif für das Beet, in das er gefallen ist.«
    »Glaubst du, daß Witherspoon depressiv
genug war, selbst zu springen?«
    »Wer weiß? Was für einen Unterschied
macht es schon, ob er gefallen oder gesprungen ist? Tot bleibt tot. Mein lieber
Freund, du machst alles viel geheimnisvoller, als es ist. Er war bloß ein alter
Mann, der jetzt endlich seinen wohlverdienten Frieden gefunden hat.«

Kapitel 4
     
     
     
     
     
     
     
    »I ch befürchte, Sie müssen schnellstens
nach Hause, um das Abendessen vorzubereiten«, meinte Bittersohn, als er Sarah
in den eleganten Wagen half, der am Fenway parkte.
    »Falsch geraten.« Sarah schenkte ihm
ein strahlendes Lächeln und lehnte ihren Kopf gegen das elegante beigefarbene
Lederpolster des Sitzes. »Heute abend bin ich frei wie ein Vogel. Mrs. Sorpende
macht das Abendessen.«
    »Wie das?«
    »Sie hat es mir angeboten, und ich habe
sofort dankbar angenommen. Es ist ganz schön anstrengend, ständig am heißen
Herd zu stehen und sich abzurackern.«
    »Schon nach drei Monaten?«
    »Eher seit acht Jahren. Ich war
praktisch die ganze Zeit, die ich mit Alexander verheiratet war, fürs Kochen
zuständig.«
    »Sie denken wohl immer noch ständig an
ihn, nicht wahr?«
    Bittersohn schien Schwierigkeiten zu
haben, den Schlüssel ins Zündschloß zu bekommen.
    »Nein, eigentlich nicht. Das würde auch
gar nicht gehen. Es passiert ja ständig irgend etwas Neues. Ein weiterer Mord
zum Beispiel.«
    »Bitte, glauben Sie mir, daß mir das
mit heute schrecklich leid tut.«
    »Das braucht Ihnen doch nicht leid zu
tun«, wunderte sich Sarah. »Sie konnten doch nicht ahnen, daß etwas Derartiges
passieren würde. Jedenfalls findet den Statistiken zufolge die Hälfte aller
Morde in Massachusetts eben in Boston statt, und ich komme aus Boston und bin
hier aufgewachsen. Was kann ich also anderes erwarten? Jedenfalls bin ich
heilfroh, daß dieser Fall auch nicht das Geringste mit mir zu tun hat. Es sei
denn. Sie glauben, daß Brooks — «
    Bittersohn startete seinen Wagen etwas
weniger gefühlvoll als gewöhnlich. »Ich habe Ihnen doch erklärt, warum ich
Ihren Cousin heute abend sehen möchte. Bis jetzt habe ich Sie schließlich noch
nie angelogen, oder? Vielleicht wäre es allerdings klüger von mir gewesen, ihn
irgendwo ganz allein zu treffen, statt Sie mit in die Sache hineinzuziehen.«
    »Warum sollten Sie mich nicht mit
hineinziehen? Kann ich nicht endlich wie ein richtiger Mensch behandelt
werden?«
    »Was meinen Sie denn damit? Habe ich
Sie denn nicht immer wie — «
    »Oh, Sie haben damit überhaupt nichts
zu tun. Mein ganzes Leben lang ist es immer dasselbe gewesen. Für meine Eltern
war ich bloß ein Kind, für das sie sich nicht wirklich interessiert haben,
jemand, für den man sorgte, der ernährt und erzogen werden mußte, wie es den
Erwachsenen richtig erschien, auf meine Gefühle hat dabei keiner Rücksicht genommen.
Für Tante Caroline war ich nur ein notwendiges Übel. Alexander hat mich zwar
geliebt, aber er hätte mich nie geheiratet, wenn er sich nicht dazu
verpflichtet gefühlt hätte, und er hat sich mir gegenüber immer verhalten wie —
«, sie lächelte schmerzlich, »- nun ja, was kann man schon erwarten, wenn ein
Mann einem kleinen Mädchen das erste Eishörnchen gekauft hat und es zum ersten
Mal mit auf die Schwanenboote im Park genommen hat? Wie soll er da auch andere
als väterliche Gefühle empfinden? Für meine Verwandtschaft bin ich lediglich
eine von vielen Kellings, für meine Pensionsgäste die Pensionswirtin, und bei
Ihnen frage ich mich manchmal, ob Sie mich nicht im Grunde bedauern. Heute
nachmittag allerdings haben Sie mich behandelt wie — ich nehme an, man könnte
sagen, wie eine Freundin, die Sie gut genug kennen, um sie um

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