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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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vorbeizuschauen. Es gibt einige Fragen, zu
denen ich gern Ihren Rat einholen würde. Haben Sie vielleicht zufällig ein
wenig Zeit für mich?«
    Sarah aß ein Sardinensandwich und
verfluchte in Gedanken ihr Geschick. Mrs. Tawne schwirrte so leichtfüßig um ihn
herum, wie es ihre soliden Körperformen erlaubten.
    »Mr. Palmerston, Sie wissen doch, daß
ich für Sie immer Zeit habe! Geben Sie mir doch Ihren Hut. Bitte, kommen Sie
doch mit nach unten und leisten uns beim Tee Gesellschaft. Sie kennen doch
sicher Mrs. Kelling?«
    »Kelling? Ja, wieso — «
    Sarah bekämpfte tapfer den Impuls, laut
zu schreien, und sagte statt dessen höflich: »Guten Tag, Mr. Palmerston. Wir
sind uns bei Mrs. Lackridge begegnet, und Sie haben uns auch zu Hause besucht,
als Sie mit ihr und meiner Schwiegermutter im selben Festkomitee waren.«
    »Ach ja. Genau. Was für ein
unerwartetes Vergnügen, Mrs. — eh — Kelling.«
    Seinem Gesicht nach zu urteilen, war es
allerdings ein Vergnügen, auf das er ohne weiteres hätte verzichten können. Die
verstorbene Caroline Kelling mochte zwar blind und stocktaub gewesen sein, doch
sie war weder stumm noch dumm gewesen. Sie hatte Mr. Palmerston in aller
Öffentlichkeit einen dummen alten Trottel genannt. Sarah war bei dem besagten
Zwischenfall anwesend gewesen, und Mr. Palmerston erinnerte sich bestimmt
daran. Das Schweigen wurde bleiern.
    Dolores allerdings ließ sich die
Stimmung so leicht nicht verderben. Sie eilte hin und her und überhäufte ihre
Gäste mit Getränken und Köstlichkeiten, zupfte an den Gazevorhängen an ihren
riesigen Atelierfenstern, um Mr. Palmerstons kostbare Augäpfel vor dem
gleißenden Licht zu schützen, und plauderte in einem fort. Ausgerechnet als sie
alles und alle zu ihrer Zufriedenheit versorgt hatte und sich gerade mit einem
Teller und einer Tasse niedergelassen hatte, klopfte der nächste Besucher an
der Tür.
    »Diesmal ist sie es aber wirklich«,
seufzte sie. »Wie unangenehm. Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick, ich
versuche schnell, sie abzuwimmeln.«
    Mrs. Tawne hatte jedoch keinen Erfolg.
Als sie wieder nach unten kam, folgte ihr eine geschmacklos herausgeputzte,
völlig abgemagerte Frau, die einst sehr schön gewesen sein mußte.
    »Darf ich Ihnen meine Nachbarin Gräfin
Ouspenska vorstellen, Mrs. Kelling? Kennen Sie die Gräfin schon, Mr.
Palmerston?«
    Die Gräfin schenkte Sarah einen
geistesabwesenden Blick, richtete dann ihre funkelnden Augen unter den grell
geschminkten Lidern auf Palmerston und sagte mit starkem russischem Akzent: »Du
willst mich wohl nicht mehr sehen.«
    »Ich — eh — sehe Sie sehr deutlich. Das
heißt, ich — eh — eigentlich — es ist schon eine gewisse Zeit her, daß — eh —
möchten Sie sich nicht setzen?«
    Mr. Palmerston sah noch lächerlicher
aus als an jenem denkwürdigen Tag, als Tante Caroline ihn in der Mangel gehabt
hatte, reckte seine hagere Gestalt und bot der Gräfin Ouspenska mechanisch
seinen Stuhl an.
    Sie blickte ihn nur verächtlich an und
setzte sich statt dessen auf den Stuhl von Dolores. »Lieber nehme ich diesen
hier. Wer ist denn hübsches Kind, hinter dem du jetzt her bist?«
    Nach einem Augenblick der Verwirrung
begriff Sarah, daß die Gräfin sie meinte. »Ich bin ganz allein hier«, sagte sie
entschieden.
    »Das ist Mrs. Alexander Kelling, die
Cousine von Brooks Kelling«, fuhr die Gastgeberin ihre Nachbarin an.
    »Kelling? Da gibt es doch Frau mit
Namen Kelling, die alle umbringt und mit umwerfendem Max zusammenlebt! Könnten
Sie das vielleicht sein? Ja, Sie sind es wirklich! Ich sehe es Ihrem Gesicht
an. Abenteuer! Leidenschaft!« Sie biß kräftig in ein Sandwich mit Eiersalat.
»Natürlich würde sich Grande amoureuse wie Sie nicht abgeben mit altem Trottel
wie Palmerston hier. Erzählen Sie mal, ganz im Vertrauen unter uns
Abenteuerinnen, wie haben Sie das eigentlich geschafft?«
    Sarah wußte nicht, ob sie lachen oder
weinen sollte. »Zunächst einmal möchte ich klarstellen, daß ich noch nie
jemanden umgebracht habe. Und was Mr. Bittersohn betrifft, so lebe ich
keineswegs mit ihm zusammen. Er wohnt nur bei mir. Das heißt« — sie spürte, wie
ihr die Hitze ins Gesicht stieg —, »ich habe eine Pension, und er gehört
zufällig zu meinen Pensionsgästen. Und ich kann Ihnen versichern, daß das
Dasein einer Pensionswirtin wirklich nicht besonders abenteuerlich ist.«
    »Na, na! Nur nicht aufregen, Kleine.
Wenn ich wunderbaren Max dazu bringen könnte, bei mir zu wohnen, ich

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