Madam Wilkin's Palazzo
Max erforscht werden statt von altem Truthahn, der bei
Dolores sitzt und balzt.«
»Sie meinen doch nicht etwa — er kann
doch unmöglich — «
»Mr. Moralapostel Palmerston? Ich
glaube auch nicht, daß er jetzt noch kann, aber sicher er würde liebend gern.
Ich habe ihn gekannt vor langer Zeit, als er noch war etwas weniger unattraktiv
als jetzt. Er war Mann, das kann man sagen, der immer bekam, wofür er hat
bezahlt. Das ich habe aus vielen Quellen gehört. Ich treffe Damen aus allen
möglichen Berufen, einige sind nicht das, was man normalerweise unter Dame
versteht, und machen mehr Beinarbeit als andere, wenn Sie mir können folgen,
was Mr. Palmerston offenbar nicht mehr will. Er ist Philosoph. Er hat sie genommen,
wo er sie hat gefunden, und bezahlt, was sie haben verlangt. Über Preis hat er
nie diskutiert, nur über das, was Finanzier nennt Gegenleistung für harten
Dollar.«
»Wenn das meine Großtante Mathilde
gewußt hätte! Sie hat ihn meinem Cousin Dolph immer als leuchtendes Vorbild
präsentiert!«
»Palmerston war nie etwas Besonderes«,
sagte die Gräfin Ouspenska. »Was allerdings schönen flotten Max betrifft,
können Sie sicher mir viel erzählen — «
Sarah ahnte, was die Gräfin zu hören
wünschte, und sprang auf. »Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber alles,
was ich dazu sagen kann, ist, daß ich jetzt unbedingt nach Hause muß, um das
Abendessen zu machen, sonst sucht sich der schöne Max sicher flott eine neue
Pensionswirtin. Nochmals ganz herzlichen Dank, daß Sie mir Ihr Atelier gezeigt
haben.«
»Kommen Sie doch wieder her, wenn ich
habe meine Ikone verkauft, dann Sie bekommen Tee auf russische Art. Und bringen
Sie mit Ihren wundervollen Max.« Die Gräfin küßte Sarah mehrfach auf beide
Wangen.
»Ich bin sicher, er würde bestimmt
liebend gern mitkommen.« Sarah hatte beschlossen, daß es absolut sinnlos war,
nochmals lang und breit zu erklären, daß der wundervolle Max nicht ihr gehörte
und sie ihn deshalb auch nicht mitbringen konnte. Den ganzen Weg zurück zur
Tulip Street mußte sie immer wieder kichern.
Sie blieb vor einem der besonders
schicken Lebensmittelgeschäfte stehen, ging hinein und bestellte einen Korb mit
exotischen Delikatessen, den sie der Gräfin Ouspenska in die Fenway-Studios
schicken ließ. Die Rechnung ließ sie an Mr. Adolphus Kelling gehen, denn sie
konnte den Korb unmöglich selbst bezahlen, und sie wußte, daß Cousine Mary sie
verstehen würde.
»Wir werden ihn morgen früh als erstes
abliefern, Mrs. Kelling«, versprach der Verkäufer. »Möchten Sie vielleicht noch
eine Karte dazulegen?«
»Warum nicht?« Sarah nahm den Füller,
den er ihr anbot, überlegte einen Moment lang, schrieb »In dankbarer
Erinnerung« in Druckbuchstaben auf das kleine weiße Kärtchen und versiegelte
den Umschlag. Wenigstens würde die Gräfin in dieser Woche genug zu essen haben.
Kapitel
7
D er umwerfende Max erschien nicht zu dem
von Sarah zubereiteten Abendessen, sondern tauchte erst gegen halb zehn auf,
als sie gerade in der Bibliothek mit Mrs. Sorpende Rezepte austauschte. Sarah
sah sofort, daß er etwas mitgenommen aussah.
»Mr. Bittersohn, haben Sie schon zu
Abend gegessen? Kann ich Ihnen vielleicht eine Kleinigkeit zurechtmachen?«
»Das wäre großartig. Ich bin völlig
ausgehungert.« Er folgte Sarah in die Küche. Mrs. Sorpende, die von Beruf
Wahrsagerin war und möglicherweise die Zeichen so deutete, daß ihre Persona
hier non grata war, ließ die beiden allein.
Mariposa und Charles waren in ihrer
Kellerhöhle und erweiterten ihren kulturellen Horizont, indem sie sich alte
Cab-Calloway-Platten anhörten. Bei Minnie the Moocher schloß Sarah die
Tür zum Keller und bat Bittersohn mit einer Tasse Suppe als Vorspeise zu Tisch.
»Und jetzt erzählen Sie mal, was passiert ist.«
»Brown, der Wächter, der den
Raubüberfall in der Kapelle vorgetäuscht hat — «
»Ich weiß schon, wen Sie meinen. Essen
Sie Ihre Suppe, solange sie noch schön heiß ist.«
»Brooks hat ihn heute nachmittag tot im
Umkleideraum gefunden, den Magen voll Abbeizmittel. In seiner Tasche steckte
ein Zettel, auf dem stand: ›Die Sache mit Joe tut mir leid.‹«
»Oh nein!«
»Lieutenant Davies weiß nicht, ob er
glauben soll, daß Brown tatsächlich Witherspoon getötet und dann Selbstmord
begangen hat, oder ob er Durst bekommen hat, als er gerade jemandem einen
Kondolenzbrief schrieb.«
»Und was glauben Sie?«
»Ich glaube, daß
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