Madam Wilkin's Palazzo
hätte Bill wohl auch nichts
verraten, dachte Sarah. Sie hätte gern gewußt, woran Brannigan wohl gestorben
war, hielt es jedoch für besser, nicht zu fragen.
»Wie viele von Madams Bildern hat
Brannigan illegal verkauft?« fragte Bittersohn.
»Bloß das eine. Mickey kannte sich mit
Kunst nicht so gut aus. Er hat mehr mit allgemeinen Waren gehandelt. Ich kann
keinen Schieber finden, der mehr als ein oder zwei Bilder verkauft hat.«
»Wer stellt die Kontakte her? Das muß
doch eine Höllenarbeit sein, Bill.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen,
Maxie. Ich wollte, ich wüßte es. Ich würde ihm gern gratulieren. Oder ihr.«
»Bist du sicher, daß es nur eine Person
ist?«
»Denk mal nach, Kumpel. Dieses kleine
Spiel läuft schon seit einigen Jahren, und bisher hat es noch keine undichte
Stelle gegeben. Du kennst doch sicher den Satz, daß zwei Menschen ein Geheimnis
nur dann bewahren können, wenn einer von beiden tot ist?«
Bittersohn nickte. »Also 57
Fälschungen?«
»Ich würde sagen, mehr als 57, aber das
ist dein Gebiet. Madam hat sich bestimmt schon damals ein paar Fälschungen
andrehen lassen. 57 Originale, die während der letzten 30 Jahre unter der Hand
weiterverkauft worden sind, und 57 Kopien im Palazzo, die alle von demselben
Künstler gefälscht worden sind. Mehr kann ich dazu nicht sagen, Max. So, ich
muß mich jetzt aus dem Staub machen. Danke für das Abendessen, Mrs. Kelling.
Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.« Irgendwie schaffte er es, auf
subtile Weise anklingen zu lassen, daß ihre Begegnung noch sehr viel mehr als
nur nett gewesen war. »Wenn ich noch etwas herausbekomme, Maxie, sag’ ich dir
Bescheid.«
»Tu das. Bis dann, Bill.«
»Klaro.« Ihr Gast verschwand lautlos im
Treppenhaus, wobei er sich ganz im Schatten hielt.
»Vermutlich begibt er sich jetzt in
irgendeine Lasterhöhle«, bemerkte Sarah recht sehnsüchtig.
Bittersohn schüttelte den Kopf. »Er
geht zu einer Lyriklesung am Wheelock College. Was würden Sie davon halten, C.
Edwald Palmerston zu Tee und Plätzchen oder etwas Ähnlichem einzuladen?«
»Das kann doch unmöglich Ihr Ernst
sein! Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für ein Mensch ist!«
»Genau deshalb denke ich ja, daß es
ganz nett wäre, ihn kennenzulernen.«
»Nett ist wohl kaum das richtige Wort.
Wenn Sie allerdings hilfreich oder produktiv sagen würden — «
»In Ordnung, dann eben hilfreich oder
produktiv, wie wär’s also?«
»Wenn es denn unbedingt sein muß. Aber
ich lade ihn nicht ein, ohne daß ich jemanden dabei habe, der mir hilft. Wie
paßt Ihnen Mittwoch? Dann hat Mrs. Sorpende nämlich ihren freien Nachmittag.«
Bittersohn zog eine Augenbraue hoch.
»Mrs. Sorpende ist hier inzwischen ja richtig unentbehrlich geworden, wie mir
scheint. Sie haben ihr wohl nicht zufällig die Miete gesenkt?«
»Sie haben natürlich mal wieder ins
Schwarze getroffen. Aber sie ist so lieb und nett, und sie hat so ein
furchtbares Leben hinter sich und verdient so wenig in ihrer Teestube. Und sie
wohnt doch so gern hier. Wenn ich sie gehen lasse, zieht Professor Ormsby
wohlmöglich sofort mit aus.«
»Ormsby wird sowieso bald gehen. Er ist
nur ein Gastprofessor, sein Jahr am Massachusetts Institute of Technology läuft
im Mai aus, und er hat Frau und fünf Kinder in Michigan.«
»Um Gottes willen! Sollte ich da nicht
besser Mrs. Sorpende vorwarnen, was meinen Sie?«
»Wenn sie es noch nicht weiß, sollte
sie besser aufhören, anderen die Zukunft aus Teeblättern zu lesen. Machen Sie
sich nur keine Sorgen, Mrs. Sorpende hat schon sehr viel länger als Sie allein
auf sich aufpassen müssen. Die beiden haben doch nicht etwa ein Verhältnis
miteinander oder so etwas?«
»Jedenfalls nicht hier im Haus. Soweit
ich weiß, sitzt er immer nur da und starrt sie an.«
»Dafür kann man ihn ja wohl kaum
bestrafen. Sie laden also Palmerston für Mittwoch nachmittag ein, in Ordnung?«
»Nur wenn Sie mir feierlich
versprechen, auch hier zu sein, wenn er kommt.«
»Das ist schließlich der Zweck der
ganzen Übung. Um es einmal ganz unverblümt zu sagen, ich will ihn dazu bringen,
mich zu engagieren, um herauszufinden, wer bei Madam die ganzen Bilder geklaut
hat. Dann habe ich auch eine gute Ausrede, ein bißchen auf Ihren Cousin Brooks
aufzupassen.«
»Oh, unter diesen Umständen rufe ich
ihn selbstverständlich auf der Stelle an.«
Sarah hatte inzwischen endlich
Bittersohns wiederholtem Drängen nachgegeben, sich ein eigenes Telefon in
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