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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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eine
eingelaufene Hose und ein Paar abgelaufene leichte Slipper. Auf Krawatte,
Socken und Unterhemd hatte er offenbar verzichtet. Sein Gesicht dagegen
verhüllte taktvoll ein blauschwarzer Dreitagebart. Er war klein, dünn und hatte
einen dunklen Teint. Seine Manieren entsprachen denen eines Herzogs, und er
unterhielt sich während der ganzen Mahlzeit mit vertraulich leiser Stimme,
wobei er sich über den Tisch lehnte und die Gabel oder ein Stückchen Brot in
seiner gepflegten kleinen Hand hielt. Sarahs Pensionsgäste, allen voran
Jennifer LaValliere, waren von ihm förmlich hingerissen.
    Das also war Bill Jones, der Experte
für heiße Gemälde. Sarah fragte sich, wie bald Bill sich wohl bei ihr
erkundigen würde, ob sie an einem sehr günstigen Vuillard interessiert sei.
Nach der rituellen halben Stunde, die für den Kaffee in der Bibliothek
angesetzt war, ging sie nach oben in ihr Wohnzimmer in der heimlichen
Erwartung, daß Bittersohn und sein Geheimagent ihr bald folgen würden, eine
Erwartung, die sich jedoch zunächst nicht erfüllte. Sie hatte gerade
beschlossen zu glauben, daß die beiden hinunter in Bittersohns Zimmer gegangen
waren oder daß Jones sich mit Miss LaValliere davongemacht hatte, als sie
schließlich doch noch bei ihr erschienen, wobei Bittersohn ihr geheimnisvoll
zuzwinkerte, als er die Tür vorsichtig öffnete, und Jones draußen wie ein
Schatten an der Wand entlangglitt und geräuschlos ins Zimmer schlüpfte. Sarah
wartete atemlos darauf, daß einer von ihnen im nächsten Moment den Malteser
Falken herausholen würde.
    Doch Bill Jones suchte sich lediglich
den Sitzplatz, der am weitesten vom Licht entfernt war, verschmolz mit dem
Polster und murmelte fast unhörbar: »Genau wie du gesagt hast, Kumpel.«
    Bittersohn nickte: »Wie viele hast du
gezählt?«
    »Ich habe 57 entdeckt. Die
professionellste Arbeit, die ich je gesehen habe.«
    »Ich vermute, du hast keine Lust, mir
zu sagen, wer darin verwickelt ist?«
    Bill schüttelte den Kopf. »Keiner, den
ich kenne.«
    »Bill, alter Junge, vergiß nicht, daß
du hier mit deinem Freund Max redest.«
    »Kumpel, dich würde ich doch nie
anlügen! Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Gott im Himmel, Bill, du mußt doch
irgendeinen Hinweis haben!«
    Jones schüttelte seine kurzen schwarzen
Locken. »Ich habe sogar« — er wedelte mit seinen zierlichen Händen in der Luft
herum und schlug die Augen nieder, als wäre er im Begriff, jeden Moment etwas
sehr Unschickliches zu sagen —, »na ja, herumgefragt. Alles, was ich sagen
kann, ist, daß hier einer wunderbare Arbeit geleistet hat. Tonnenweise Kröten,
Mann!«
    Sarah konnte es nicht länger ertragen.
»Würdet ihr beiden mir bitte mitteilen, worüber ihr die ganze Zeit sprecht?«
    Die beiden Männer sahen sie an, als sei
sie ein wenig schwer von Begriff. »Bill erklärte gerade«, sagte Bittersohn,
»daß er ganz sicher ist, daß 57 Originale aus Madams Palazzo sich nicht mehr in
Boston befinden und nach auswärts verkauft wurden, daß er keinen Schimmer hat,
wer sie gestohlen hat, und daß der Verkauf Gewinne von mehreren Millionen
Dollar eingebracht haben muß, es sei denn, der Dieb ist ein Idiot, was
allerdings nicht so aussieht. Wo sind die Gemälde gelandet, Bill?«
    »Überall. Du weißt, wie es ist.«
    »Auch in New York?«
    »Nein, das ist zu nah. Der Kerl ist ein
wahrer Künstler«, sagte Jones mit unverhohlenem Respekt.
    »Wenn wir schon von Künstlern sprechen,
wer hat die Kopien gemacht?«
    Bill zuckte die Achseln. »Keine Ahnung,
aber sie sind alle von ein und demselben.«
    »Bist du da sicher?«
    Bill zuckte wieder die Achseln.
    »Verzeihung«, entschuldigte sich
Bittersohn. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
    »Aber wie konnte eine einzige Person so
viele Gemälde kopieren?« rief Sarah. »Ich habe eine Frau getroffen, die so
etwas macht, und sie hat mir erzählt, daß es ewig dauert, weil man sorgfältig
auf alle Details achten muß.«
    »Praktisch ein Lebenswerk«, stimmte
Bill zu. »Aber unser Künstler ist schon sehr lange damit beschäftigt. Der
kleine Giotto, der rechts neben dem Kamin im Musikraum hängt, wurde am 1.
Oktober 1959 an einen Schieber namens Mickey Brannigan aus den alten Kreisen
verkauft.«
    »Schieber nennt man jemanden, der
Diebesgut kauft und wieder verkauft, Mrs. Kelling«, erklärte Bittersohn ihr,
bevor sie ihn mit einer weiteren Frage blamieren konnte. »Mickey ist inzwischen
sicher verstorben, nehme ich an?«
    »Klaro. Schon vor einiger Zeit.«
    Sonst

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