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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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als Inder verkleidet? Sarah hielt es an dieser Stelle für
besser, nicht zu intensiv an Verkleidungen zu denken.
    Browns Geschichte mit dem Kirchensilber
war möglicherweise vorher arrangiert worden, um die Aufmerksamkeit vom Großen
Salon abzulenken, so daß jemand, der sich in der Sänfte versteckt hielt, die
sich in günstiger Nähe zum Treppenhaus befand, eine gute Chance hatte zu
verschwinden, während Brown vorgab, ganz allmählich wieder das Bewußtsein
wiederzuerlangen, und die gesamte Aufmerksamkeit auf den angeblichen
Raubüberfall lenkte.
    Daß Brown kurz darauf ermordet worden
war, paßte auch ins Bild. Wenn man nämlich an der Ermordung eines Menschen
beteiligt war, konnte es durchaus geschehen, daß man von seinem Mittäter als
Risikofaktor angesehen wurde, besonders wenn man faul und unzuverlässig war und
dazu neigte, bei der Arbeit zu trinken. Nach allem, was Sarah bisher über Jimmy
Agnew gehört hatte, hielt sie ihn durchaus nicht für unverdächtig, war doch
sein Posten ganz in Witherspoons Nähe gewesen und tat er doch grundsätzlich
gehorsam alles, was ihm seine Schwester, das allgegenwärtige Faktotum, befahl.
    Und wer kam denn noch in Frage? Nick
Fieringer? Sarah hielt den Atem an. Theoretisch hätte Nick während des Konzerts
im Tintoretto-Saal unten im ersten Stock sein müssen und dort normalerweise
ganz allein gewartet, bis das Konzert zu Ende war, sich die Musiker für den
Beifall bedankt hatten und zu dem darauffolgenden bescheidenen Empfang gegangen
waren. Aber hatte er dies tatsächlich getan? Bestimmt war er von niemandem
kontrolliert worden, und selbst während des ganzen Trubels nach dem Konzert
hätte er sich leicht absetzen können, ohne daß man ihn sonderlich vermißt
hätte.
    Ihr war bereits bei der einen oder
anderen Veranstaltung, die Fieringer arrangiert hatte, aufgefallen, daß er eine
bestimmte Art hatte, sich unsichtbar zu machen, die er ganz nach Belieben
einzusetzen verstand. Seine Masche bestand darin, zu verkünden, er sei doch nur
der gute, alte Nick, allzeit bereit, den anderen den Vortritt zu lassen und sie
die Lorbeeren ernten zu lassen. Er hätte ganz leicht die eine Treppe
hinuntereilen können, während sie und Max noch mit Brooks unter dem Romney
standen und sich intensiv unterhielten; immerhin war ihre Sicht durch die
Sänften, die überall auf dem Balkon herumstanden, ziemlich versperrt gewesen.
Er hätte sich wieder unauffällig unter die Gäste mischen und einfach so tun
können, als sei er die ganze Zeit im Tintoretto-Saal gewesen.
    Wenn ihn irgend jemand zufällig vom
zweiten Stock hatte herunterkommen sehen, hätte er einfach auf die besagte
Erklärung zurückgreifen können, er sei nach oben zur Quelle des Wasserfalls
gegangen, um sich dort schnell zu erleichtern. Da das oberste Wasserbecken vom
Treppenhaus aus gesehen auf der anderen Elofseite lag, beinahe unmittelbar
dort, wo Witherspoon über die Balustrade gestürzt war, hätte er sogar behaupten
können, gesehen zu haben, wie sich der Wächter selbst hinabgestürzt hatte, und
darauf hätte er sicher nicht einmal einen Meineid zu schwören brauchen, denn
man hätte es ihm sicher auch so geglaubt — immer angenommen, sie verdächtigte
nicht einen Unschuldigen.
    Die Musiker selbst waren ganz gewiß
unschuldig. Sie hatten immerhin die ganze Zeit vor dem Publikum gestanden. Doch
was war mit den merkwürdigen Freunden von Bernie dem Pianisten? Lydia Ouspenska
hatte gesagt, sie seien sowieso alle Diebe. Bengo malte echte Werke alter
Meister, Lupe war ein gerissener Kerl, über die anderen konnte man nur
Spekulationen anstellen. Sarah hätte ihnen alles mögliche zugetraut, aber warum
hätten sie sich in der Sänfte verstecken sollen? Es war doch sehr
unwahrscheinlich, daß Witherspoon einen von ihnen gekannt hatte, außerdem sahen
sie sich sowieso alle ziemlich ähnlich.
    Außer Lydia Ouspenska. Die Gräfin fiel
überall auf. Sie kannte Dolores Tawne und war früher Palmerstons Geliebte
gewesen, es war also mehr als wahrscheinlich, daß sie den Palazzo schon oft
besucht hatte, und Witherspoon hatte schließlich von Anfang an dort gearbeitet.
Er hätte Lydia ganz bestimmt erkannt, wenn sie ihm die Möglichkeit gegeben
hätte, sie zu sehen, und eine Sänfte als Versteck war exotisch genug, um ihrem
Sinn für Dramatik zu genügen.
    Doch Sarah hoffte, daß Lydia unschuldig
war. Außerdem hatte sie jetzt wirklich genug Spekulationen angestellt. Sie
nickte Mr. Porter-Smith ein letztes Mal zu und begann, sich

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