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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sagen, aber sie hat es ziemlich deutlich durch die Blume
gesagt. Nicht wahr, Mr. Bittersohn?«
    »Ich habe noch nie irgend jemand etwas
so deutlich andeuten hören. Aber noch einmal zurück zu diesem Ruy Lopez,
Kelling. Haben Sie eine Ahnung, wann genau er eintreffen soll?«
    »Morgen früh um neun Uhr. Wir bekommen
die Überstunde anderthalbfach bezahlt, da wir normalerweise erst um zehn Uhr
öffnen. Wir waren alle hocherfreut über diese unerwartete Großzügigkeit.«
    »Kann ich mir vorstellen. Ist es
irgendwie möglich, sich diesen Ruy Lopez anzusehen?«
    »Man könnte ihm vielleicht im Gebüsch
auflauern.«
    »Man könnte auch als Verdächtiger
festgenommen werden. Sonst noch irgendwelche Geistesblitze?«
    »Würde Ihnen ein Foto genügen?«
    »Sicher. Aber woher wollen Sie wissen,
ob er überhaupt für Sie posieren will?«
    »Er würde davon natürlich nichts
wissen.«
    »Verstehe. Sie haben eine Minikamera in
Ihrer Krawattennadel versteckt.«
    »Nein, in meiner Gürtelschnalle. Die
Idee stammt aus einem Dick-Tracy-Comic, die Einzelheiten habe ich selbst
ausgeklügelt. Ich brauche sie vorwiegend für Aufnahmen von Fischadlernestern
und ähnlichem. So habe ich beide Hände frei, wenn ich an einem Baum hänge oder
an einem Seil über einem Abgrund baumele. Schließlich bin ich ja auch nicht
mehr der Jüngste.«
    Bittersohn grinste. »Ich kann es
einfach nicht glauben. Sind Sie auch sicher, daß er die Kamera nicht bemerken
wird?«
    »Das haben Sie ja schließlich auch
nicht.« Brooks holte zwei winzige, aber peinlich scharfe Abzüge hervor. Das
eine zeigte den vorübergehend dunkelhäutigen Bittersohn mit seinem Turban, wie
er mit einem ekelhaft lüsternen Gesichtsausdruck auf Mrs. Sorpendes
verlängerten Rücken starrte. Das zweite zeigte Sarah, die mit der einen Hand
ihren sich auflösenden Sari umklammerte und sich mit der anderen ihren
blasengeplagten Fuß rieb.
    »Mein Gott! Glauben Sie, daß Palmerston
uns auch erkannt hat?«
    »Ganz bestimmt nicht. Sie müssen
bedenken, Bittersohn, daß ich ein hervorragend geschulter Beobachter bin. Wenn
man erst einmal in der Lage ist, 30 oder 40 verschiedene Teichrohrsängerarten
im Flug zu unterscheiden, läßt man sich nicht so einfach von einem Klecks
Lippenstift auf der Stirn seiner Nichte siebten Grades hinters Licht führen.
Eure Verkleidung war wirklich gut, obwohl ich der Meinung bin, daß Sarahs
Oberteil ein bißchen zu eng war. Nur aus rein wissenschaftlichem Interesse, Sarah,
wie hast du das Ding bloß an- und ausbekommen?«
    »Mit beträchtlichen Schwierigkeiten«,
antwortete Sarah sittsam. »Was wolltest du uns denn sonst noch sagen, Brooks?«
    »Daß die Eingeborenen allmählich zu
murren anfangen. Keiner der Wächter glaubt, daß Brown sich selbst umgebracht
hat, und über Witherspoon macht sich inzwischen auch jeder seine eigenen
Gedanken. Sie reden über nichts anderes mehr. Aber natürlich nicht mit
Dolores.«
    »Weil sie es Palmerston weitererzählen
würde?«
    »Hauptsächlich, weil keiner sie mag.
Ich selbst habe sie ja immer für das Salz der Erde gehalten, aber jetzt, wo ich
jeden Tag aus nächster Nähe mit ihr zu tun habe, finde ich, daß sie ein
ziemlicher Tyrann ist, wenn man diese Bezeichnung für eine Frau überhaupt
benutzen kann, was allerdings heutzutage sicher möglich ist. Heute morgen hat
sie beispielsweise Melanson als Angsthasen beschimpft, was sowohl unfreundlich
als auch zoologisch unhaltbar ist.«
    »Hat sie sich zum Tod von Brown und
Witherspoon geäußert?« fragte Bittersohn.
    »Sie ist davon überzeugt, daß beide
Todesfälle Unfälle waren. Oder behauptet es wenigstens. Sie meint, daß Brown
versucht hat, einen Selbstmord vorzutäuschen, und zwar aus demselben Grund, aus
dem er auch diesen dummen Raubüberfall in der Kapelle in Szene gesetzt hat. Aus
einer Art kindischem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Sie behauptet, daß ein
Mann, der Sachen wie Bay Rum und Vanilleextrakt trinkt, wahrscheinlich der
Meinung ist, daß ein bißchen Abbeizmittel ihm nicht schadet. Man muß zugeben,
daß diese Hypothese etwas für sich hat. Sie behauptet allerdings außerdem noch,
daß Brown ihren Bruder Jimmy zum Trinken verleitet hat, und das ist wirklich
kompletter Schwachsinn.«
    »Was sagt denn Jimmy selbst dazu?«
    »Nichts, was sich wiederzugeben lohnt.
Jimmy ist unfähig, an irgend etwas anderes als ans Trinken zu denken.«
    »War er letzten Sonntag wirklich
krank?« fragte Sarah.
    »Das nehme ich an, denn er mußte

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