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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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bald ins Stocken.
    Leute, die aus der Aufführung kamen, spazierten auf dem Gehsteig vorüber und trällerten oder grölten aus voller Kehle: O bel ange, ma Lucie! Da wollte Léon den Kunstsinnigen spielen, und er begann über Musik zu sprechen. Er habe Tamburini gesehen, Rubini, Persiani, Grisi; und neben ihnen tauge Lagardy, trotz seiner großen Gefühlsausbrüche, rein gar nichts.
    »Und doch«, unterbrach Charles, der gemächlich an seinem Rum-Sorbet knabberte, »heißt es, im letzten Akt sei er ganz wundervoll; ich bedaure, vor dem Ende gegangen zu sein, denn allmählich machte es mir Spaß.«
    »Übrigens«, sagte der Kanzlist, »gibt er bald eine weitere Vorstellung.«
    Charles jedoch antwortete, sie reisten schon am nächsten Tag.
    »Es sei denn«, fügte er an seine Frau gewandt hinzu, »du möchtest allein hierbleiben, mein Kätzchen?«
    Und flugs die Taktik wechselnd angesichts dieser überraschenden Gelegenheit, die sich seiner Hoffnung bot, sang der junge Mann sogleich ein Loblied auf Lagardy im Finale. Es war schlichtweg erlaucht, erhaben! Nun drängte Charles:
    »Du fährst am Sonntag zurück. Na, entschließ dich! Du begehst einen Fehler, wenn du auch nur im geringsten das Gefühl hast, es könnte dir guttun.«
    Indessen leerten sich die Tische ringsherum; ein Kellner stellte sich diskret in ihre Nähe; Charles, der rasch begriff, zog seinen Beutel; der Kanzlist fasste ihn am Arm, und er vergaß auch nicht, obendrein zwei Nickelmünzen dazulassen, die er klingelnd auf die Marmorplatte warf.
    »Es grämt mich, wirklich«, brummte Bovary, »dass Sie Ihr Geld …«
    Der andre machte eine wegwerfende Handbewegung voller Herzlichkeit, und nach seinem Hut greifend:
    »Abgemacht, nicht wahr, morgen um sechs?«
    Charles beteuerte noch einmal, er könne nicht länger fortbleiben; doch nichts hindere Emma …
    »Nun ja …«, stammelte sie mit seltsamem Lächeln, »ich weiß nicht recht …«
    »Hm! du kannst es dir noch überlegen, wir werden sehen, guter Rat kommt über Nacht …«
    Dann zu Léon, der sie begleitete:
    »Jetzt, da Sie wieder in unsrer Gegend sind, hoff ich doch, Sie werden ab und an bei uns zu Abend essen?«
    Der Kanzlist beteuerte, das tue er gewiss, er müsse sowieso nach Yonville, wegen einer Rechtssache für seine Kanzlei. Und man verabschiedete sich vor der Passage Saint-Herbland, als es gerade halb zwölf schlug von der Kathedrale.

    Anmerkungen

DRITTER TEIL

I.

    Monsieur Léon hatte, neben dem Studium der Rechte, fleißig die Chaumière besucht und verzeichnete dort sogar hübsche Erfolge bei den Grisetten, denn diese fanden ihn distinguiert . Er war ein sehr ordentlicher Student: er trug die Haare weder zu lang noch zu kurz, verbrauchte nicht schon am Ersten des Monats das Geld für ein volles Quartal und stand auf gutem Fuße mit seinen Professoren. Über die Stränge geschlagen hatte er nie, teils aus Kleinmut, teils aus Zartgefühl.
    Oft, wenn er zum Lesen in seinem Zimmer blieb oder abends unter den Linden im Luxembourg saß, geschah es, dass ihm sein Code Civil zu Boden fiel und die Erinnerung an Emma ihn übermannte. Doch mit der Zeit wurde dieses Gefühl schwächer und andere Begierden türmten sich darüber, obgleich es weiterlebte durch sie hindurch; denn Léon hatte nicht alle Hoffnung verloren, und es gab für ihn so etwas wie ein vages Versprechen, das in der Zukunft winkte, gleich der güldenen Frucht an einem Wunderbaum.
    Und als er sie nach dreijähriger Abwesenheit wiedersah, erwachte seine Leidenschaft von neuem. Er müsse, so dachte er, sich endlich entschließen und sie besitzen wollen. Zudem hatte er seine Schüchternheit im Umgang mit fröhlicher Gesellschaft verloren, und er kehrte in die Provinz zurück voller Verachtung für alles, was nicht mit lackledernem Fuße über den Asphalt des Boulevards stolzierte. Neben einer Pariserin in Spitzen, im Salon irgendeines berühmten Doktors, einer Persönlichkeit mit Ordensspangen und Equipage, hätte der arme Kanzlist wahrscheinlich gezittert wie ein Kind; doch hier in Rouen, am Hafen, vor der Frau dieses kleinen Arztes, fühlte er sich wohl in seiner Haut und war schon im voraus gewiss, zu beeindrucken. Selbstsicherheit hängt ab von der Umgebung, wo sie auftritt: im Halbgeschoss redet man nicht wie im vierten Stock, und die reiche Frau scheint, zur Wahrung ihrer Tugend, all ihre Geldscheine bei sich zu tragen wie einen Panzer, im Futter ihres Mieders.
    Als Léon sich am Vorabend von Monsieur und Madame Bovary

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