Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Justins Leichtsinn als ungeheuerliche Respektlosigkeit; und röter als seine Johannisbeeren wiederholte er:
»Ja, zur Giftküche! Den Schlüssel, der Säuren und Ätzalkalien wegschließt! Geht und holt einen Ersatzkessel! einen Kessel mit Deckel! den ich vielleicht nie benutzen werde! Alles hat seine Wichtigkeit bei den heiklen Verrichtungen unserer Kunst! Teufel auch! man muss Unterschiede machen und darf nicht zu quasi häuslichem Gebrauch verwenden, was für Arzneimittel bestimmt ist! Das ist ja, als würde man eine Poularde mit dem Skalpell tranchieren, als würde ein Richter …«
»Beruhige dich bitte!« sagte Madame Homais.
Und Athalie, an seinem Gehrock ziehend:
»Papa! Papa!«
»Nein, lasst mich!« tobte der Pharmazeut, »lasst mich! zum Donnerwetter! Da kann man genausogut Krämer werden, meiner Treu! Nur zu! keine Achtung vor nichts! hau kaputt! schlag entzwei! lass die Blutegel raus! verbrenn den Eibisch! leg Essiggurken in die Glasbehälter! zerfetz die Binden!«
»Sie hatten doch …«, sagte Emma.
»Ja, gleich! – Weißt du, in welcher Gefahr du warst? … Hast du nichts gesehen, links in der Ecke, auf dem dritten Wandbrett? Sprich, gib Antwort, erklär dich!«
»Ich w… weiß nicht«, stotterte der junge Bursche.
»Aha! du weißt nicht! aber ich, ich weiß! Du hast eine Flasche gesehen, aus blauem Glas, mit gelbem Wachs versiegelt, sie enthält ein weißes Pulver, und ich habe sogar Gefährlich! draufgeschrieben, und weißt du, was drinnen war? Arsen! und da fingerst du herum! nimmst einen Kessel, der daneben steht!«
»Daneben!« kreischte Madame Homais und rang die Hände. »Arsen? Du hättest uns alle vergiften können!«
Und die Kinder begannen zu schreien, als spürten sie in den Eingeweiden bereits grässliche Schmerzen.
»Oder einen Kranken vergiften!« fuhr der Pharmazeut fort. »Wolltest du mich auf die Anklagebank bringen, vors Schwurgericht? oder gar aufs Schafott zerren? Ist dir nicht klar, welche Sorgfalt ich walten lasse bei jedem Handgriff, obwohl mir alles so höllisch vertraut ist. Oft mache ich mir selber Angst, wenn ich an meine Verantwortung denke! denn die Regierung verfolgt uns, und die absurden Gesetze, denen wir unterworfen sind, hängen nachgerade wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern!«
Emma dachte nicht mehr daran zu fragen, was man von ihr wollte, und der Apotheker redete weiter in hechelnden Sätzen:
»So also vergiltst du die Gutherzigkeiten, die man dir erweist! so also dankst du mir die väterliche Fürsorge, welche ich dir angedeihen lasse! Denn ohne mich, wo wärst du? was würdest du tun? Wer gibt dir Essen, Bildung, Kleider und alles, was du brauchst, um eines Tages einen ehrenhaften Rang in der Gesellschaft einzunehmen! Dafür aber muss man tüchtig rudern und, wie es so schön heißt, Schwielen an den Händen kriegen. Fabricando fit faber, age quod agis .«
Er zitierte Latein, fassungslos wie er war. Er hätte auch Chinesisch zitiert oder Grönländisch, wären ihm diese zwei Sprachen bekannt gewesen; denn er hatte einen jener Wutanfälle, bei denen die ganze Seele unterschiedslos alles zeigt, was sie enthält, so wie der Ozean in wildem Sturm alles nach außen stülpt, vom Seetang seines Ufers bis zum Sand aus seinen Tiefen.
Und er tobte von neuem:
»Allmählich reut es mich furchtbar, dass ich mich deiner angenommen habe! Ich hätte gewiss besser getan, dich seinerzeit in deinem Elend verkommen zu lassen und im Dreck, wo du geboren bist! Du wirst nie zu etwas anderem taugen als zum Hüten von Hornvieh! Du hast keinerlei Begabung für die Wissenschaft! gerade dass du ein Etikett aufkleben kannst! Und lebst hier bei mir wie ein Domherr, wie ein Pascha und lässt dich mästen!«
Emma jedoch wandte sich an Madame Homais:
»Man hat mir gesagt, ich soll …«
»Oh! mein Gott!« unterbrach die gute Frau sie mit trauriger Miene, »wie soll ich’s Ihnen gleich sagen? … Ein Unglück!«
Sie redete nicht zu Ende. Der Pharmazeut wetterte:
»Leer ihn aus! mach ihn sauber! trag ihn zurück! spute dich!«
Und als er Justin am Kragen seines Kittels rüttelte, fiel dem ein Buch aus der Tasche.
Der Junge bückte sich. Homais war schneller, und als er den Band erwischt hatte, starrte er mit aufgerissenen Augen und hängendem Kiefer.
» Die Liebe … in der Ehe! « sagte er langsam, mit einer Pause zwischen den Wörtern. »Ha! sehr gut! sehr gut! sehr schön! Noch dazu mit Stichen! … Ha! das geht zu weit!«
Madame Homais kam
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