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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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versuchte es ab und zu, sogleich aber hörte er hinter sich wütende Rufe. Also peitschte er umso kräftiger seine zwei schweißnassen Rösser, scherte sich um kein Gerüttel, rammte gegen dieses und jenes, abgestumpft, mutlos und fast schon heulend vor Durst, Erschöpfung und Trübsinn.
    Und am Hafen, zwischen Lastkarren und Fässern, und auf den Straßen, neben den Prellsteinen, glotzten die Bürger aus verdutzten Augen angesichts dieser in der Provinz so ungewöhnlichen Sache: eine Droschke mit zugezogenen Vorhängen, die in einem fort wieder auftauchte, verschlossener als ein Grab und schaukelnd wie ein Schiff.
    Einmal, im hellen Tageslicht, auf freier Flur, als die Sonne am heißesten auf die alten versilberten Laternen brannte, erschien eine bloße Hand unter den kleinen gelben Leinwandgardinen und warf Papierschnipsel heraus, die im Winde flatterten und ein Stück weiter niedersanken wie weiße Falter auf einem roten Kleefeld in voller Blüte.
    Dann, gegen sechs, hielt die Droschke in einer Gasse des Beauvoisine-Viertels, und ihr entstieg eine Frau, die mit heruntergelassenem Schleier fortging, ohne den Kopf zu wenden.

    Anmerkungen

II.

    Als sie den Gasthof erreichte, war Madame Bovary überrascht, den Postwagen nicht zu sehen. Hivert hatte dreiundfünfzig Minuten gewartet und war schließlich losgefahren.
    Nichts freilich zwang sie zur Abreise; doch sie hatte ihr Wort gegeben, sie werde noch am selben Abend heimkommen. Außerdem wartete Charles; und in ihrem Herzen spürte sie bereits jene feige Gefügigkeit, die so vielen Frauen Sühne ist und zugleich Preis für den Ehebruch.
    Rasch packte sie ihren Koffer, zahlte die Rechnung, nahm sich im Hof ein Kabriolett, und den Pferdeknecht zur Eile treibend, ihn anfeuernd, jede Minute nach der Zeit und den zurückgelegten Kilometern fragend, gelang es ihr, die Hirondelle bei den ersten Häusern von Quincampoix einzuholen.
    Kaum saß sie in ihrem Winkel, schloss sie die Augen und öffnete sie erst wieder am Fuß der Anhöhe, wo sie von weitem Félicité erkannte, die vor dem Haus des Hufschmieds auf Posten stand. Hivert zügelte seine Pferde, und die Köchin, sich zum Klappfenster streckend, sagte geheimnisvoll:
    »Madame, Sie müssen sogleich zu Monsieur Homais schauen. Es handelt sich um etwas Dringliches.«
    Im Dorf war es still wie gewöhnlich. Draußen an den Straßenecken dampften kleine rosafarbene Haufen, denn es war Marmeladenzeit und jedermann in Yonville kochte seinen Vorrat am selben Tag. Doch vor dem Laden des Apothekers konnte man einen viel größeren Haufen bewundern, der alle andern mit jener Überlegenheit schlug, die einer Offizin wohl ansteht gegenüber bürgerlichen Öfen, einem allgemeinen Bedürfnis gegenüber individuellen Launen.
    Sie ging hinein. Der große Armsessel war umgeworfen und sogar der Fanal de Rouen lag am Boden, ausgebreitet zwischen den beiden Mörserkeulen. Sie stieß die Tür zum Flur auf; und mitten in der Küche, zwischen den braunen Tonkrügen voll abgezupfter Johannisbeeren, zwischen Streuzucker und Würfelzucker, Waagen auf dem Tisch, Kesseln auf dem Feuer, erblickte sie sämtliche Homais’, die großen wie die kleinen, mit Schürzen, die ihnen bis unters Kinn reichten, und Gabeln in der Hand. Justin stand da mit gesenktem Kopf, und der Apotheker brüllte:
    »Wer hat dich geheißen, ihn aus der Giftküche zu holen?«
    »Was gibt’s? Was ist passiert?«
    »Was passiert ist?« antwortete der Pharmazeut. »Wir machen Marmeladen: sie kochen; aber sie waren vor lauter Sprudeln schon am Überkochen, und ich bitte um einen anderen Kessel. Und der da geht aus Laschheit, aus Faulheit in mein Laboratorium und nimmt, wo er an seinem Nagel hängt, den Schlüssel zur Giftküche!«
    So nannte der Pharmazeut eine Kammer unterm Dach, voller Gerätschaften und Ingredienzen seiner Zunft. Oft verbrachte er dort allein lange Stunden mit Etikettieren, Umfüllen, Verschnüren; und sie war für ihn kein bloßer Lagerraum, sondern sein Allerheiligstes, dem hernach, von seinen Händen verwandelt, diverse Pillen entsprangen, Kügelchen, Absude, Mixturen und Tinkturen, welche seinen Ruhm ringsum verbreiten sollten. Niemand durfte hinein; und er hielt die Kammer in solcher Achtung, dass er sie eigenhändig fegte. Und war die Apotheke, die jedem offenstand, der Ort, an dem er seinen Stolz zur Schau trug, so war die Giftküche das Refugium, wo Homais, mit eigensüchtiger Konzentration, ganz und gar aufging in seinen Liebhabereien; darum empfand er

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