Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
allem, wo ein Haufen Ärger auf ihn zukam.
»Und er täte sogar besser daran, die Sache jemand anders zu übertragen, Ihnen zum Beispiel; durch eine Vollmacht, das wäre praktisch, und dann könnten wir miteinander kleine Geschäfte machen …«
Sie begriff nichts. Er schwieg. Dann wechselte Lheureux zu seinem Metier und erklärte, Madame könne nicht umhin, ihm etwas abzukaufen. Er würde ihr schwarzen Barège schicken, zwölf Meter, für ein Kleid.
»Das, was Sie anhaben, ist gut für zu Hause. Sie brauchen ein anderes für Besuche. Ich hab es vorhin gleich gesehen, auf den ersten Blick. Ich hab Augen wie ein Amerikaner.«
Er schickte den Stoff nicht, er brachte ihn. Dann kam er wieder zum Maßnehmen; er kam wieder unter anderen Vorwänden und versuchte jedesmal, sich gefällig zu erweisen, hilfsbereit, zu katzbuckeln, wie Homais gesagt hätte, und stets flüsterte er in Emmas Ohr ein paar Ratschläge bezüglich der Vollmacht. Er verlor kein Wort über den Wechsel. Sie dachte nicht daran; Charles hatte in der ersten Zeit ihrer Genesung wohl etwas erzählt; aber so viele Aufregungen waren durch ihren Kopf geschwirrt, dass sie sich nicht mehr erinnerte. Außerdem sprach sie möglichst nie über Geldangelegenheiten; Mutter Bovary wunderte sich und führte diesen Sinneswandel auf das religiöse Empfinden zurück, das sie während ihrer Krankheit befallen hatte.
Doch kaum war sie abgereist, überraschte Emma ohne Aufschub Bovary durch ihren praktischen Hausverstand. Man müsse nun Erkundigungen einziehen, die Hypotheken prüfen, feststellen, ob eine Lizitation durchgeführt werde oder eine Liquidation. Sie nannte Fachausdrücke, aufs Geratewohl, sprach die großen Worte Ordnung, Zukunft, Vorsorge und übertrieb in einem fort die Ungelegenheiten mit der Erbschaft; und eines Tages zeigte sie ihm den Entwurf einer Generalvollmacht, die ihr ermögliche, »seine Geschäfte zu führen und zu verwalten, Darlehen aufzunehmen, Wechsel zu unterschreiben und zu indossieren, Zahlungen zu tätigen usw.«. Lheureux’ Lektionen fielen auf fruchtbaren Boden.
Charles fragte naiv, woher dieses Papier stamme.
»Von Monsieur Guillaumin.«
Und mit größter Kaltblütigkeit fügte sie hinzu:
»Ich traue der Sache nicht ganz. Notare haben einen so schlechten Ruf! Vielleicht sollte man sich nochmal beraten lassen … Wir kennen bloß … Ach! niemanden.«
»Es sei denn, Léon …«, erwiderte Charles, der nachdachte.
Doch war es schwer, sich brieflich zu verständigen. Also erbot sie sich, die Reise zu machen. Er wehrte dankend ab. Sie blieb hartnäckig. Man wetteiferte in Zuvorkommenheit. Schließlich rief sie im Tonfall gespielter Auflehnung:
»Nein, bitte, ich fahre.«
»Wie gut du bist!« sagte er und küsste ihr die Stirn.
Schon am nächsten Morgen saß sie in der Hirondelle , unterwegs nach Rouen, zu einer Beratung mit Monsieur Léon; und sie blieb drei Tage.
Anmerkungen
III.
Es waren drei erfüllte, köstliche, wunderschöne Tage, ein richtiger Honigmond.
Sie waren im Hôtel de Boulogne , am Hafen. Und hier lebten sie hinter geschlossenen Läden, verriegelten Türen, mit ausgestreuten Blumen am Boden und eisgekühlten Säften, die man ihnen schon morgens heraufbrachte.
Gegen Abend nahmen sie ein überdachtes Boot und fuhren zum Essen auf eine Insel.
Es war die Stunde, zu der man im Umkreis der Werften die Kalfaterer gegen die Schiffsrümpfe hämmern hört. Teerdampf stieg zwischen den Bäumen empor, und auf dem Fluss sah man große fettige Tropfen, die im Purpur der Sonne unruhig auf und ab schaukelten wie schwimmende Plättchen aus Florentiner Bronze.
Sie glitten flussabwärts zwischen festgemachten Booten, deren lange, schräge Ankertaue leicht übers Dach ihres Bootes streiften.
Die Geräusche der Stadt entfernten sich langsam, das Rattern der Karren, das Gewirr der Stimmen, das Hundegekläff auf den Schiffsdecks. Emma löste die Hutbänder, und sie landeten auf ihrer Insel.
Sie setzten sich in eine niedrige Wirtshausstube, wo vor der Tür schwarze Netze hingen. Sie aßen gebratenen Stint, Crème und Kirschen. Sie lagen im Gras; sie küssten sich ein wenig abseits unter den Pappeln; und sie hätten gern, wie zwei Robinsone, für immer an diesem Örtchen gelebt, denn in ihrer Glückseligkeit dünkte er sie der herrlichste auf Erden. Nicht zum ersten Mal sahen sie Bäume, blauen Himmel, Rasen; nicht zum ersten Mal hörten sie Wasser fließen und Wind in den Blättern säuseln; doch wahrscheinlich hatten sie
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